Rz. 43

Werte, Traditionen und eine lebendige Familiengeschichte bilden das Fundament. Ziele geben der Familie eine Perspektive, richten sie auf die Zukunft aus. Zu klären sind weitere Fragen:

Wie wird verteilt?
Wer übernimmt welche Aufgabe?
Wie wird vergütet?

Die Familienstrategie beantwortet diese Fragen personenunabhängig. Für große Familien und große Unternehmen sind personenunabhängige Strukturen zwingend. Aus Sicht eines noch im Aufbau befindlichen Familienunternehmens ist das eine befremdliche Vorstellung. Personen, insbesondere Familienmitglieder werden als besonders wertvolle Ressource wahrgenommen, Strukturen und Abläufe an ihren Stärken ausgerichtet. Der erfolgreiche Gründer hat es vorgemacht: der Unternehmenserfolg ist Ergebnis der bestmöglichen Entfaltung seines Potentials. An dieser Philosophie hält die Familie erfahrungsgemäß mindestens eine weitere Generation fest. Sie stößt aber spätestens mit dem weiteren Wachstum an Grenzen. Den Übergang gilt es mit Respekt für beide Organisationsprinzipien zu gestalten. Aber wie ein wachsendes Unternehmen, so hat sich auch die wachsende Familie mit den Begriffen Führung und Verantwortung neu auseinander zu setzen.

a) "Wie wird verteilt?"

 

Rz. 44

Die Erarbeitung der Werte, Ziele und Interessen zeigt, wieviel Kooperation die Familie sich zutrauen kann und will. Dabei löst die Familienstrategie einen Klärungs- womöglich sogar einen Entwicklungsprozess in der Familie aus. Die Kooperationsfähigkeit ist wesentliches Kriterium für die Wahl und Gestaltung des Beteiligungsmodells. Ob Gleich- oder Ungleichverteilung, Thronfolge, Realteilung, Verkauf, Stiftungslösung oder Mischformen – sie repräsentieren unterschiedliche Kooperations- und Qualifikationsanforderungen. Bisweilen wünschen Eltern, dass sich die Kooperationsfähigkeit ihrer Kinder an das Beteiligungsmodell anpasst. Doch hier ist Vorsicht geboten: Streitlustige oder wenig kommunikationsgeneigte Geschwister in einer 50/50-Verteilung haben es schwer mit dem Vermögenserhalt.

 

Rz. 45

Neben der zentralen Frage, wie das Vermögen unter den Kindern verteilt wird, ist zu klären, ob eine Übertragung auch an Schwiegerkinder in Frage kommt. Auch Tabuthemen sind anzusprechen: Ist der Verkauf von Unternehmensanteilen legitim? Wie verhält er sich zu unserem Ziel, das Unternehmen langfristig in der Familie zu halten? Sind Szenarien denkbar, die zum Verkauf oder zur Aufnahme familienfremder Gesellschafter führen (z.B. strategischer Investor, Wachstumsfinanzier, Mitarbeiterbeteiligung)? Was bedeutet es für den Vermögenserhalt und den Familienfrieden, wenn ein Familienmitglied gegen seinen Wunsch Gesellschafter bleibt? Wie entstehen derartige Konstellationen, wie will die Familie gegebenenfalls vorbeugen?

Eine Familienstrategie im Vorfeld der Vermögensübertragung kann Lösungen für unterschiedliche Szenarien anlegen – ehe Sprachlosigkeit den Vermögenserhalt bedroht.

b) "Wer übernimmt welche Aufgabe?"

 

Rz. 46

Wie will und kann die Familie künftig sich selbst und ihr Unternehmen führen? Wie balanciert sie diesbezüglich die unterschiedlichen Interessen? Was verlangen Fremdmanagement, gemischte Führung oder die operative Führung durch Familienmitglieder an Kooperationsfähigkeit und an Qualifikationen? Oder trifft die Familie diese Entscheidung nach anderen Prinzipien (Präsenz der Familie im Unternehmen, Entfaltungsmöglichkeiten von Familienmitgliedern etc.)? Das starke Wachstum einer Unternehmerfamilie erfordert erhebliche Änderungen der Führungsstrukturen. "Wie die Familie diese schwierigen Themen entscheidet, hängt maßgeblich davon ab, wie sie grundsätzliche Dilemmata (Werteparadoxien) auflöst."[17]

 

Rz. 47

Die Anzahl der Familienmitglieder (siehe Rdn 23 Ausführungen zu den Entscheidungsmechanismen) und das gewählte Beteiligungsmodell geben einiges vor. Und doch sind darüber hinaus Gestaltungsspielräume der unterschiedlichen Führungsfunktionen zu dimensionieren: Die Gesellschafterstellung im Familienunternehmen ist nicht nur eine Vermögensposition. Was bedeutet für die Familie Unternehmensführung aus Gesellschaftersicht?[18] Ist eine Abstimmung nach Stämmen für uns geeignet? Welchen Beitrag könnte ein möglicher Beirat leisten? Was erwarten wir von einer Geschäftsführung?

Es geht darum, den Einfluss der Familie zu sichern und zugleich das Vermögen vor verantwortungslosem Handeln seiner Eigentümer[19] zu schützen. Es geht ferner darum, das immaterielle Vermögen der Familie (Werte, Historie, Talentpool etc.) zu nutzen, ohne das Unternehmen bzw. Vermögen zum Spielball familiärer Interessen werden zu lassen. Die familienspezifische Balance der Interessen von Unternehmen, Familie und Individuum gilt es in organisatorische Maßnahmen zu überführen und so zu stabilisieren.[20]

 

Rz. 48

Das Vorgehen versachlicht zentrale Fragen. Auf dieser Grundlage kann die Familie sich auch den emotionaleren Themen zuwenden: Welche Auswirkung hat es, Schwiegerkinder in diesen Gremien zuzulassen? Ist die Mitarbeit von Familienmitgliedern auch in anderen Funktionen möglich? Wie lauten die Voraussetzungen? Kann ich als ...

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