I. Der materiell-rechtliche Wertermittlungsanspruch
1. Wertermittlungsanspruch gegenüber dem Erben
Rz. 186
Damit sich der Pflichtteilsberechtigte ein umfassendes Bild über den Wert des Nachlasses machen kann, steht ihm neben dem Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB auch ein Anspruch auf Wertermittlung bezüglich der Nachlassgegenstände zu (zum Wertermittlungsanspruch siehe § 9 Rdn 79 ff.). Der Anspruch auf Wertermittlung nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB ist vom Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB zu unterscheiden. Der Wertermittlungsanspruch setzt voraus, dass zunächst die Zugehörigkeit eines Gegenstands zum – realen oder fiktiven – Nachlass nachgewiesen ist.[320] Die Erfüllung des Wertermittlungsanspruchs erfolgt daher grundsätzlich durch die Vorlage der für die Wertberechnung maßgebenden Unterlagen.[321] Der Erbe ist verpflichtet, alle Unterlagen, die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs erforderlich sind, dem Gläubiger vorzulegen.[322]
Rz. 187
Ist es dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich, anhand der Unterlagen den Wert des Nachlassgegenstands zu ermitteln, steht ihm ein Anspruch auf Erstellung eines Gutachtens eines unparteiischen Sachverständigen zu.[323] Der Wertermittlungsanspruch umfasst allerdings nicht das Recht auf Vorlage eines Gutachtens eines "öffentlich bestellten und vereidigten" Sachverständigen, da die öffentliche Vereidigung ohne Einfluss auf Qualifikation und Unabhängigkeit des Sachverständigen ist.[324] Da der Erbe die Wertermittlung nicht nur zu dulden, sondern selbst vorzunehmen hat, ist er selbst verpflichtet, das Gutachten erstellen zu lassen.
Rz. 188
Die Bewertung von Nachlassgegenständen, die nach dem Erbfall veräußert wurden, orientiert sich, soweit nicht außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, am tatsächlich erzielten Verkaufspreis. Das gilt unabhängig davon, ob die Gegenstände zu einem Preis veräußert werden, der über oder unter dem durch einen Sachverständigen ermittelten Schätzwert liegt.[325] Nach Auffassung des OLG Frankfurt hingegen hat der Pflichtteilsberechtigte auch bei Vorliegen eines Kaufvertrags einen Anspruch auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert eines Hausgrundstücks, weil der Kaufvertrag und die Schätzung eines Maklers für eine sachgerechte Bewertung des Objekts allein nicht ausreichen.[326]
Rz. 189
Damit der Anspruch aus § 2314 BGB erfüllt wird, muss der Sachverständige in seinem Gutachten alle Kriterien erfüllen, die notwendigerweise an die Sachverständigentätigkeit gestellt werden. Hierzu zählen insbesondere die Abwägung zwischen den verschiedenen Bewertungsverfahren und die Begründung, warum sich der Sachverständige für eine Bewertungsmethode entschieden hat.[327]
Rz. 190
Bei Ermittlung des Werts eines mit denkmalgeschützten Gebäuden bebauten Grundstücks im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs begegnet es nach Auffassung des LG Wiesbaden[328] keinen Bedenken, wenn der Gutachter vom Bodenwert einen Abschlag von 10 % vornimmt und gleichzeitig einen Wertabschlag für Sanierungskosten im Jahre der Grundstücksübertragung abzieht. Zwar betreffen Denkmalschutzauflagen in erster Linie den Wert der Gebäude. Sie sind aber bereits aufgrund des Umstands, dass ein mit einem denkmalgeschützten Gebäude bebautes Grundstück nicht ohne weiteres von diesem "frei gemacht" werden kann, auch beim Bodenwert zu berücksichtigen. Denn Bodenrichtwerte berücksichtigen nur die flächenhaften Auswirkungen des Denkmalschutzes, nicht aber das Merkmal Denkmalschutz eines Einzelgrundstücks.
2. Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Erben gegenüber Miterben oder Beschenkten
Rz. 191
Unter bestimmten Voraussetzungen steht dem pflichtteilsberechtigten Erben gegenüber einem beschenkten Miterben nach § 242 BGB auch ein Wertermittlungsanspruch zu (vgl. § 9 Rdn 88). Fraglich ist, ob dem pflichtteilsberechtigten Erben auch gegenüber dem beschenkten Nichterben, der möglicherweise nach § 2329 BGB für den Pflichtteilsergänzungsanspruch haftet, nach § 242 BGB ein Wertermittlungsanspruch zustehen kann. Der BGH hat dies in einer früheren Entscheidung grundsätzlich verneint.[329] Danach stand dem pflichtteilsberechtigten Miterben neben einem Auskunftsanspruch nach § 242 BGB kein Wertermittlungsanspruch gegenüber dem Beschenkten zu. Anders dagegen entschied der BGH in seinem Urteil vom 8.7.1985.[330] Hier wurde dem pflichtteilsberechtigten Erben ein Wertermittlungsanspruch zugesprochen. Die h.M. geht zwischenzeitlich davon aus, dass dem pflichtteilsberechtigten Erben nach § 242 BGB ein Wertermittlungsanspruch gegenüber dem Beschenkten aber nur dann zusteht, wenn er die Kosten für die Wertermittlung selbst übernimmt.[331]
II. Der Klageantrag
Rz. 192
Anders als der Auskunftsanspruch ...
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