Rz. 145

Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist die Offenlegung der für den Pflichtteilsanspruch notwendigen Berechnungsfaktoren.[248] Der Auskunftsschuldner ist danach verpflichtet, Auskunft über sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen.[249]

 

Rz. 146

Dabei beschränkt sich die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht nur auf den zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich vorhandenen Nachlass, sondern erstreckt sich auch auf die zu Lebzeiten getätigten Schenkungen (fiktiver Nachlass).[250] Für den Fall, dass der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Erbfall eine Schenkung getätigt hat, ist diese im Nachlassverzeichnis mit anzugeben. Gleiches gilt für Schenkungen an den Ehegatten, und zwar auch dann, wenn sie außerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfolgten. Den Auskunftsverpflichteten trifft eine Ermittlungspflicht, wenn der Verdacht besteht, dass der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen getätigt hat.[251] Er ist dann verpflichtet, von seinem Auskunftsrecht gegenüber den Banken Gebrauch zu machen, um eventuelle Zuwendungsempfänger zu ermitteln und Einsicht in die Kontounterlagen zu nehmen.[252]

 

Rz. 147

Erfolgten Zuwendungen in Form einer gemischten Schenkung, erstreckt sich die Auskunft auch auf alle Vertragsbedingungen, die für die Beurteilung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs maßgeblich sind.[253] Erfolgten Schenkungen an einen Dritten, so umfasst der Auskunftsanspruch auch die Benennung der beschenkten Person.[254] Ebenso sind auch Anstands- und Pflichtschenkungen i.S.d. § 2330 BGB anzugeben.[255] Ferner trifft den Erben auch eine Auskunftspflicht darüber, in welchem Güterstand der Erblasser gelebt hat.[256]

 

Rz. 148

Verlangt der Pflichtteilsberechtigte die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB), dann trifft den Notar eine eigene Ermittlungspflicht.[257] Der Notar darf sich dabei nicht nur auf die Beurkundung der Erklärungen des Auskunftspflichtigen beschränken.[258] Erforderlich ist, dass der Notar selbst und eigenständig den tatsächlichen und fiktiven Nachlass ermittelt und zum Ausdruck bringt, dass er für das von ihm erstellte Verzeichnis inhaltlich verantwortlich ist.[259] Der Notar darf sich auch nicht darauf beschränken, Angaben des Erben wiederzugeben und von diesem vorgelegte Belege auf Plausibilität zu überprüfen.[260] Allerdings entscheidet der Notar unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt.[261]

 

Rz. 149

 

Praxishinweis

Strittig ist die Frage, ob der Auskunftsanspruch auch die Vorlage von Belegen mit umfasst (siehe § 9 Rdn 30). Ein Recht auf die Vorlage von Belegen und Buchführungsunterlagen besteht nur bei Unternehmen oder ähnlich komplexen Gegenständen, wie etwa bei weit gestreutem und verschachteltem Vermögen, zu dem im wesentlichen Umfang auch Unternehmen gehören. Denn beim Auskunftsanspruch nach § 260 Abs. 1 BGB handelt es sich gerade nicht um einen Rechnungslegungsanspruch nach § 259 Abs. 1 BGB.[262] Nach § 142 ZPO kann das Gericht jedoch unter Berücksichtigung von § 142 Abs. 2 ZPO anordnen, dass eine Partei oder aber auch ein Dritter in seinem Besitz befindliche Unterlagen und Urkunden vorlegt. Im Hinblick auf die neue Fassung des § 142 ZPO dürfte die Anordnung gegenüber dem Dritten unter Berücksichtigung der §§ 383 ff. ZPO wohl auch vollstreckbar sein.

[248] BGHZ 33, 374.
[249] BGH NJW 1961, 602.
[250] BGHZ 89, 24.
[251] OLG Stuttgart ZErb 2016, 107.
[252] OLG Koblenz NJW 2014, 1972; OLG Stuttgart ZErb 2016, 107.
[253] BGH NJW 1962, 245; BGHZ 55, 378.
[254] OLG Karlsruhe NJW-FER 2000, 124.
[255] BGH NJW 1962, 245.
[256] OLG Düsseldorf NJW 1996, 3156.
[257] BGHZ 89, 24; BVerfG FamRZ 2016, 1141.
[258] OLG Köln RNotZ 2013, 127.
[259] OLG Köln RNotZ 2013, 127; OLG Jena NotZB 2016, 186.
[260] OLG Schleswig FamRZ 2011, 1159.
[262] LG Wiesbaden, Urt. v. 13.7.2012 – 1 O 49/05.

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