Rz. 5

Nach § 139 ZPO trifft das Gericht eine Aufklärungs- und Hinweispflicht. Nach dem Grundgedanken des § 139 ZPO muss das Gericht darauf hinwirken, dass alle für die Entscheidung erheblichen Informationen beigebracht und offensichtliche Lücken im Parteivorbringen geschlossen werden. Die im Rahmen der materiellen Prozessleitung obliegende Aufklärungs- und Hinweispflicht ist eine zwingende Verfahrensvorschrift.[8] Bestand Anlass für einen Hinweis, dann liegt ein Verfahrensfehler wegen Verletzung der Prozessleitungspflicht vor und das Urteil kann in der Berufung bzw. Revision aufgehoben werden.[9] Die seitens des Gerichts ergangenen Hinweise sind nach § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO aktenkundig zu machen. Ferner sind die Hinweise so früh zu geben, dass die Parteien sich hierzu erklären können, andernfalls muss nach § 139 Abs. 5 ZPO eine Schriftsatzfrist eingeräumt werden.

 

Rz. 6

Ist das Urteil nicht berufungsfähig und handelt es sich um ein erstinstanzliches Urteil des AG oder LG, dann kommt als Rechtsbehelf die Gehörsrüge nach § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht, wenn eine Verletzung von § 139 ZPO vorliegt.

 

Rz. 7

Im Hinblick auf diese erweiterte Aufklärungspflicht, der gerade im Bereich von schwierigen Erb- und Pflichtteilsprozessen eine bedeutende Rolle zukommen kann, sollte am Ende eines jeden Schriftsatzes seitens des Anwalts darauf besonders hingewiesen werden. Schneider[10] schlägt diesbezüglich folgende Formulierung vor:

 

Rz. 8

 

Formulierungsbeispiel: Erweiterte Aufklärungspflicht

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bitten wir gem. § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO um Hinweise, falls dem Gericht weitere Angaben zu erheblichen Tatsachen geboten erscheinen oder Beweisanträge vermisst oder Anträge als nicht sachdienlich bewertet werden. Wir gehen davon aus, dass das Gericht das Sach- und Streitverhältnis spätestens in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien nach der tatsächlichen rechtlichen Seite erörtern und gegebenenfalls Fragen stellen wird. Diese Hinweise bitten wir so früh zu erteilen, dass wir uns rechtzeitig und vollständig erklären können, wie dies § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO vorsieht. Wir gehen davon aus, dass alle Maßnahmen des Gerichts zur Prozessleitung entsprechend dem Gebot der Aktenkundigkeit nach § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO vor der mündlichen Verhandlung schriftlich ergehen.

[8] Zöller/Greger, ZPO, § 139 Rn 1 a.E.
[9] BGH NJW 1991, 704.
[10] Schneider, ZAP Nr. 15, S. 857.

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