Rz. 96

Nach § 2110 Abs. 2 BGB scheidet der Gegenstand eines zugunsten eines Vorerben angeordneten Vorausvermächtnisses – vorbehaltlich abweichender Anordnungen des Erblassers – mit dem Anfall bzw. der Erfüllung des Vermächtnisses aus der Vorerbenbindung aus. Der Vorerbe kann also über den Gegenstand frei verfügen. Eine Herausgabepflicht gegenüber dem Nacherben (§§ 2130, 2138 BGB) besteht nicht.

 

Rz. 97

Dem Vorerben können auch alle (oder beinahe alle) von der Vorerbschaft umfassten Gegenstände in dieser Weise zugewendet werden; auf diese Weise kann im Ergebnis eine gesetzlich nicht vorgesehene gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft erreicht werden.[137]

 

Rz. 98

Allerdings ist § 2110 Abs. 2 BGB nur eine Auslegungsregelung, von der der Erblasser auch abweichen kann. Möchte der Erblasser entgegen der Auslegungsregelung erreichen, dass sich die Nacherbenbindung auch auf den Gegenstand eines Vorausvermächtnisses erstreckt, kann er Entsprechendes anordnen. Dann ist nicht etwa ein Nachvermächtnis (§ 2191 BGB) anzunehmen, sondern vielmehr, dass die dingliche Vorerbenbindung bestehen bleiben soll. Solche Anordnungen können sinnvoll sein, wenn einem von mehreren Vorerben gegenüber seinen Mit-Vorerben durch die Zuweisung des Vermächtnisgegenstands privilegiert werden soll. Eine Besserstellung gegenüber dem oder den Nacherben tritt aber gerade nicht ein.[138]

[137] Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 45.
[138] Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 47.

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