Rz. 4

Hat der Anwalt die Aufgabe, die Frage des Erbrechts des nichtehelichen Partners zu prüfen, so ist auch eine etwaige Sittenwidrigkeit zu prüfen, wenn der Erblasser verheiratet ist und/oder eheliche leibliche Kinder hat. Im gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten und der gemeinschaftlichen Kinder sieht die Rechtsprechung eine grundlegende rechtliche und sittliche Wertung.

 

Rz. 5

Nach der Rechtsprechung[6] ist für eine eventuelle Sittenwidrigkeit eines sog. "Geliebtentestaments" der Verfügung von Todes wegen deren Gesamtcharakter maßgebend, wobei die bloße Tatsache, dass zu dem Bedachten eine außereheliche Beziehung bestand, keine Sittenwidrigkeit der Verfügung rechtfertigt. Berücksichtigt werden müssen in erster Linie Inhalt und Wirkungen der Verfügung, deren Beweggrund und der verfolgte Zweck. Es kommt außerdem entscheidend auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Verfügung für den Bedachten einerseits und für den Zurückgesetzten andererseits an. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, aus welcher Familie das Vermögen stammt.

 

Rz. 6

Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung kann daher nur in besonders hervorstechenden, d.h. schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden.[7] Ob an der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die besondere Verwerflichkeit einer Zuwendung wegen ausschließlich sexueller Motive im Hinblick auf die zwischenzeitlich vom Gesetzgeber im Rahmen des Prostitutionsschutzgesetzes getroffenen Wertungen festgehalten werden kann, erscheint fraglich.[8] Nicht zuletzt indiziert die Tatsache, dass es in den zurückliegenden 10 Jahren zu keiner ober- oder höchstgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex gekommen ist, dass letztwillige Zuwendungen zugunsten von Lebensfährten in der Regel nicht mehr an § 138 BGB scheitern.[9]

 

Rz. 7

Der BGH ist in der Vergangenheit auch soweit gegangen, teilweise Sittenwidrigkeit anzunehmen, wenn der nichteheliche Lebenspartner mit einem zu großen Anteil bedacht worden war. Der BGH reduzierte daraufhin die Quote des testamentarisch Bedachten und ließ in den frei werdenden Teil die zurückgesetzten gesetzlichen Erben einrücken, so dass diesen im Ergebnis ein Noterbrecht gewährt wurde, das im BGB gerade nicht vorgesehen ist.[10] Das für solche Fälle eigentlich geltende Pflichtteilsrecht wurde so zugunsten eines Noterbrechts naher Verwandter verdrängt. Es ist allerdings wohl davon auszugehen, dass eine solche Entscheidung einer Überprüfung in einem gleich gelagerten Fall heute nicht mehr standhalten würde.[11]

 

Rz. 8

Allerdings kommt auch eine Umdeutung der Zuwendung in ein Anerkenntnis des Erblassers des Inhalts in Betracht, dem Partner einen Vergütungsanspruch nach Dienstvertragsrecht zu schulden, falls der Eingesetzte für geleistete Dienste entlohnt werden sollte.

 

Rz. 9

Streitig ist, ob im Falle der Beendigung der Lebensgemeinschaft vor dem Erbfall § 2077 BGB analog angewendet werden kann mit der Folge, dass die letztwillige Verfügung unwirksam wird. Die Rechtsprechung lehnt eine Analogie ab.[12] In Betracht kommt aber neben der ohnehin vorrangigen Auslegung im Einzelfall (Trennung als auflösende Bedingung) auch ein Anfechtungsrecht gemäß § 2078 Abs. 2 BGB, wobei jedoch der Nachweis eines solchen Irrtums immer schwieriger wird, je mehr Zeit nach der Trennung verstrichen ist und der Erblasser das Testament nicht widerrufen hat.

 

Rz. 10

Die Beweislast für die Sittenwidrigkeit trifft grundsätzlich denjenigen, der sich darauf beruft.[13] Maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der Testamentserrichtung.[14]

[6] Grundlegend dazu BGH v. 31.3.1970, BGHZ 53, 369 ff. und BayObLG FamRZ 1992, 226 f.
[7] OLG Düsseldorf v. 22.8.2008, RNotZ 2009, 177 m. zahlreichen w.N.
[8] In der Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 22.8.2008 vom Gericht erwähnt, aber im Ergebnis offen gelassen; zum Diskussionsstand Grziwotz, 11. Teil Rn 34 ff.
[9] So im Ergebnis Grziwotz, 11. Teil Rn 40.
[10] BGHZ 53, 369.
[11] Ausführlich Grziwotz, 11. Teil Rn 39.
[12] BayObLG Rpfleger 1983, 440; OLG Celle v. 23.6.2003, ZEV 2003, 328 m. Anm. Leipold; a.A. Schlüter/Röthel, ErbR, § 19 Rn 27.
[14] BGHZ 20, 71.

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