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Die wohl noch h.M. ist der Ansicht, dass die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar für Kraftfahrer per se keine Ausnahme vom Regelfahrverbot rechtfertigt.[77] Allerdings kann es sich im Detail anders verhalten. Hierzu hat das OLG Saarbrücken in einer jüngeren Entscheidung[78] in überzeugender Art und Weise grundsätzliche Leitlinien aufgestellt: Ein Fahrverbot solle dem Betroffenen sein Fehlverhalten deutlich vor Augen führen und ihn zu einer verkehrsgerechten Fahrweise anhalten. Demgegenüber diene ein Fahreignungsseminar i.S.v. § 4 Abs. 7 StVG[79] ausschließlich dem Abbau von Punkten im Fahreignungsregister und verfolge deshalb eine andere Zielrichtung als das Fahrverbot. Aus diesem Grund könne die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar nur im Zusammenhang mit einer "Vielzahl anderer, vom Tatrichter festzustellenden Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen" zu einem Absehen von einem Regelfahrverbot führen.

Eine solche Konstellation hat das AG Duderstadt in einem Bußgeldverfahren festgestellt und entschieden, dass auch bei der Verwirklichung eines Regelfahrverbotes von einer solchen Nebenfolge dann abgesehen werden kann, wenn der Verkehrsverstoß zum Zeitpunkt der Entscheidung schon 14 Monate zurückliegt, der Betroffene in dieser Zeit beanstandungsfrei am Straßenverkehr und darüber hinaus an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen hat.[80]

In einer aktuellen Entscheidung hat auch das AG Traunstein die Teilnahme an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer (nach alter Rechtslage) als Anlass gesehen, bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgeldbuße (§ 4 Abs. 4 BKatV) von der Verhängung eines Regelfahrverbotes abzusehen, wobei der Betroffene zusätzlich beruflich zwingend auf die Fahrerlaubnis angewiesen und zuvor verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten war.[81]

Das AG Niebüll hat ebenfalls vor wenigen Monaten erkannt, dass bei einem nicht einschlägig vorbelasteten Betroffenen und deutlicher Erhöhung der Regelgeldbuße nach Teilnahme an einem Aufbauseminar von einem Regelfahrverbot abgesehen werden kann.[82]

Das AG Rendsburg und das AG Bad Hersfeld haben der h.M. insgesamt widersprochen und die Teilnahme an einem Aufbauseminar per se genügen lassen, um von einem Regelfahrverbot absehen zu können.[83]

Insgesamt besteht also durchaus die berechtigte Hoffnung, dass sich die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar i.S.d. heutigen § 4 Abs. 7 StVG auch in Richtung eines Absehens vom Regelfahrverbot "lohnen" kann, jedenfalls dann, wenn keine einschlägigen Vorbelastungen vorhanden sind und auch ansonsten noch weitere "Punkte" für den Betroffenen sprechen.[84] Für die Verteidigung ist dieser Ansatz zur Fahrverbotsvermeidung jedenfalls einen Versuch wert, möglichst unter frühzeitiger Kontaktaufnahme mit der zuständigen Richterin/dem zuständigen Richter.[85]

[77] BayObLG NZV 1996, 374; OLG Düsseldorf MDR 1997, 376; AG Celle zfs 2001, 520.
[78] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2013 – Ss (B) 14/13, juris.
[79] Kehr, in: Kehr/Lempp/Krumm, § 4 StVG Rn 86.
[80] AG Duderstadt zfs 2001, 520.
[81] AG Traunstein DAR 2014, 102; dazu Krenberger, jurisPR-VerkR 8/2014, Anm. 6.
[82] AG Niebüll zfs 2014, 173 m. Anm. v. Krenberger.
[83] AG Rendsburg NZV 2006, 611; AG Bad Hersfeld Verkehrsrecht aktuell 2013, 84.
[84] Vertiefend und lesenswert hierzu Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, § 6 Rn 183 ff. m.w.N.
[85] So auch Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, § 6 Rn 187.

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