Rz. 46

Der Rechtsschutzversicherer sorgt gem. § 1 ARB dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz). Hieraus wird deutlich, dass der Rechtsschutzversicherer zwei Leistungen zu erbringen hat: Er ist zu einer Sorgeleistung verpflichtet (Auswahl des Rechtsanwaltes, § 17 Abs. 1 ARB bzw. Nr. 4.1.3 ARB 2012; Beschaffung einer Übersetzung, § 5 Abs. 5 a ARB bzw. Nr. 2.3.2.4 ARB 2012; Beschaffung eines zinslosen Darlehens, § 5 Abs. 5 b ARB bzw. Nr. 2.3.3.5 ARB 2012) und zu der für die Praxis wesentlich wichtigeren Kostenbefreiung gem. §§ 1, 5 ARB bzw. Nr. 2.3.3.4 ARB 2012.[29] Nach der im Rahmen der Reform des VVG 2008 neu eingeführten Regelung des § 125 VVG ist der Rechtsschutzversicherer verpflichtet, "die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfange zu erbringen". Der Gesetzgeber wollte damit lediglich "in Anlehnung an Formulierungen gängiger AVB den hauptsächlich mit einer Rechtsschutzversicherung verfolgten wirtschaftlichen Zweck" beschreiben.[30] Um die künftige Produktentwicklung nicht zu hemmen, sondern neue Versicherungs- und Leistungsformen zu ermöglichen, ist die Vorschrift dispositiv (vgl. § 129 VVG).[31] Mit dieser gesetzlichen Definition übereinstimmend regeln auch § 1 ARB 2008/2010 bzw. Nr. 1 ARB 2012 abweichend von den bisherigen ARB ohne die Differenzierung nach der Sorgeleistung und der Kostenbefreiung die Aufgaben der Rechtsschutzversicherung.

 

Rz. 47

Der Anspruch des Versicherungsnehmers nach § 5 ARB bzw. Nr. 2.3.3.4 ARB 2012 richtet sich – wie der Anspruch nach § 2 ARB 75 – grundsätzlich nicht auf Zahlung, sondern auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten. Es handelt sich um einen Schuldbefreiungsanspruch,[32] der mit einem Zahlungsanspruch nicht identisch ist. Er ergibt sich aus §§ 1, 5 Abs. 2 a Alt. 1. Dieser Freistellungsanspruch ist – seinem Wesen entsprechend – nicht abtretbar (§ 399 BGB), nicht pfändbar (§ 851 Abs. 2 ZPO) und nicht verpfändbar (§ 1274 Abs. 2 BGB). Er wird als vertretbare Handlung gem. § 887 Abs. 1, 2 ZPO vollstreckt. Voraussetzung für einen Freistellungsanspruch ist stets, dass ein entsprechender Anspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten besteht. Daher ist der Rechtsschutzversicherer nicht leistungspflichtig, wenn dem Versicherungsnehmer durch schuldhaftes anwaltliches Fehlverhalten Rechtskosten entstehen, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Anwaltsvertrages nicht angefallen wären, und dadurch der Vergütungsanspruch des Anwalts entfällt.[33]

 

Rz. 48

Folgende Ansprüche kann der Versicherungsnehmer im Streitfall gegen den Rechtsschutzversicherer geltend machen:

Der Anspruch auf Kostenbefreiung wird fällig, sobald der Versicherungsnehmer nachweist, dass er zur Zahlung verpflichtet ist (§ 5 Abs. 2 a Alt. 1 ARB bzw. Nr. 2.3.3.4 Alt. 1 ARB 2012; ähnlich § 2 Abs. 2 ARB 75). Ist die Freistellungsverpflichtung fällig, kann der Versicherungsnehmer Klage (Leistungsklage) auf Kostenbefreiung erheben.[34] Der Klageantrag in diesem Fall könnte etwa lauten: "Der Beklagte (Rechtsschutzversicherer) wird verurteilt, den Kläger (Versicherungsnehmer) von der Inanspruchnahme durch (den Gläubiger) gemäß Kostenrechnung vom … in Höhe von … freizustellen." Zur Möglichkeit des Rechtsschutzversicherers, den Befreiungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten durch Abwehrdeckung gegenüber dem Anwalt zu erfüllen, vgl. sogleich Rdn 49.
Ist die Gewährung von Rechtsschutz schon vor dieser Fälligkeit streitig, kann der Versicherungsnehmer nur Feststellungsklage erheben.[35] Diese Feststellungsklage ist vor allem geboten, wenn der Rechtsschutzversicherer von Anfang an die Gewährung von Rechtsschutz abgelehnt oder sogar eine Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F., § 19 ARB gesetzt hat.[36] Der Klageantrag in diesem Fall lautet etwa: "Es wird festgestellt, dass der Beklagte (Rechtsschutzversicherer) verpflichtet ist, dem Kläger (Versicherungsnehmer) für … (z.B.: die außergerichtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund des Verkehrsunfalls vom … gegen …) bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag – Versicherungsnummer: … – zu gewähren."[37]
Ein Zahlungsanspruch steht dem Versicherungsnehmer gegen den Rechtsschutzversicherer zunächst nicht zu. Ein solcher entsteht erst dann, wenn der Versicherungsnehmer die Kostenforderungen, die gegen ihn geltend gemacht worden sind, erfüllt hat (§ 5 Abs. 2 a Alt. 2 ARB bzw. Nr. 2.3.3.4 Alt. 2 ARB 2012).
 

Rz. 49

Aus dem sich aufgrund der Rechtsbeziehungen ergebenden Dreiecksverhältnis (Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer einerseits sowie Anwaltsvertrag zwischen Versicherungsnehmer und Anwalt andererseits) folgt, dass der Anwalt bei Gebührenstreitigkeiten (nicht vollständig durch ...

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