Rz. 320

Dem Versicherungsnehmer ist die tatsächlich durch die Interessenwahrnehmung entstehende gesetzliche Vergütung nach dem RVG zu erstatten. Insoweit ist die gerichtliche Feststellung im Gebührenprozess oder Festsetzungsverfahren gem. § 11 RVG zwischen Anwalt und Mandant grundsätzlich auch für den Rechtsschutzversicherer bindend.[281]

 

Rz. 321

 

Hinweis

Die im Strafverfahren bei einem Freispruch erfolgende Festsetzung der durch die Staatskasse zu erstattenden Gebühren gem. § 464 b StPO ist ebenso wie die Feststellung der gem. §§ 91 ff. ZPO vom Gegner zu erstattenden Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nicht bindend.[282] Letzterer ergibt sich allein aufgrund einer Abrechnung durch den Anwalt nach billigem Ermessen entsprechend den Kriterien des § 14 RVG und kann ggf. allein im Gebührenprozess bzw. Festsetzungsverfahren gem. § 11 RVG zwischen ­Anwalt und Mandant verbindlich festgestellt werden. Daher sollte sich der Rechtsanwalt vom Rechtsschutzversicherer keinesfalls auf unzutreffende Festsetzungen verweisen lassen.

 

Rz. 322

Da sich die Kostenübernahmepflicht des Rechtsschutzversicherers gem. § 1 ARB stets nur auf die für die Interessenwahrnehmung "erforderlichen" Kosten bezieht,[283] gibt es zwei Ausnahmefälle, in denen nach dem RVG entstandene Vergütungen unter Umständen nicht vom Rechtsschutzversicherer zu tragen sind:

Dies soll zum einen für "reine Parteiauslagen" gelten, nämlich Kosten für Tätigkeiten, die nicht der "dem Rechtsanwalt vorbehaltenen spezifischen Rechtsbesorgung" dienen, sondern lediglich der Informationseinholung (Klärung des Sachverhalts oder Beschaffung von Beweismitteln); allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer oder rechtsunkundige Dritte diese Tätigkeiten ebenso gut erbringen könnte.[284] Unter diese Kategorie werden z.B. Auslagen für Anschriftenermittlungen, Registerauskünfte, beweissichernde Fotos etc. sowie Kopiekosten zur Information des Rechtsschutzversicherers gerechnet,[285] wobei zum einen im Einzelfall kritisch hinterfragt werden muss, ob der Mandant tatsächlich in der Lage ist, die entsprechende Tätigkeit "ebenso gut" selbst zu erbringen. Zum anderen ist hinsichtlich der Auslagen für Registerauskünfte (Handels-, Gewerberegisterauskünfte, Einwohnermeldeamtsauskünfte) und Grundbuchauszüge im Falle der Erforderlichkeit für die Interessenwahrnehmung nach dem Auslegungsmaßstab des durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers nicht einzusehen, aus welchem Grund diese Auslagen nicht versichert sein sollten. Vorb. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG regelt ausdrücklich, dass der Rechtsanwalt gebührenrechtlich über die in Nr. 7000 ff. VV RVG konkret geregelten Auslagen hinaus den Ersatz weiterer Aufwendungen gem. §§ 675, 670 BGB verlangen kann. Daher erschließt sich jedenfalls dem Versicherungsnehmer nicht, dass diese weiteren Auslagen nicht Teil der gem. § 5 Abs. 1 a ARB versicherten gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts sind. Hinzu kommt, dass auch kein expliziter Ausschluss bei den nicht versicherten Kosten in § 5 Abs. 3 ARB erfolgt, obwohl dies ohne weiteres möglich wäre.[286] Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die gem. Vorb. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB zu erstattenden sonstigen Auslagen auch gegen den Versicherungsnehmer als Mandanten gem. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG festsetzbar sind.[287] Daher sprechen nicht nur der Verständnishorizont des Versicherungsnehmers, sondern auch die grundsätzliche Bindungswirkung des Gebührenverhältnisses für das Deckungsverhältnis (vgl. oben Rdn 320) für eine Erstattungspflicht. Folglich sind die genannten Auslagen für Registerauskünfte jedenfalls als Teil der Vergütung des Rechtsanwalts versichert, soweit nicht ohnehin bereits eine Erstattungspflicht als Gerichtskosten gem. § 5 Abs. 1 c ARB 2010 anzunehmen ist.[288]
Zum anderen ist der Fall einer jedem Anwalt bekannten sozusagen "überobligationsmäßigen" Inanspruchnahme des Rechtsanwalts durch den Mandanten problematisch (Mandant ruft jeden Tag an, lässt sich bei einfacher Angelegenheit in aufwändigen Terminen alles mehrmals erklären etc.). In einem solchen Fall besteht kein Zweifel, dass der weit überdurchschnittliche Tätigkeitsumfang gebührenrechtlich gem. § 14 RVG zu einer höheren Bemessung z.B. der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG führt. Allerdings wird der Rechtsschutzversicherer einwenden, dass die Tätigkeit in diesem Umfang das Maß der versicherten objektiv erforderlichen Kosten i.S.d. § 1 ARB überschritten hat und dementsprechend die volle Kostenübernahme ablehnen.

Soweit ersichtlich, ist zu diesem schwierigen Problemkomplex allerdings noch keine Rechtsprechung verfügbar.

 

Rz. 323

Gemäß § 34 RVG gibt es seit dem 1.7.2006 keine gesetzliche Vergütung (mehr) für Beratungen, da weder die vertraglich vereinbarte noch die mangels Vereinbarung gem. § 612 Abs. 2 BGB maßgebliche übliche Gebühr eine gesetzliche Vergütung darstellen.[289] Lediglich die Höchstgrenzen gem. § 34 Abs. 1 S. 3 RVG sind im Falle fehl...

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