Rz. 1

Wegfall der Witwenrente als Ehehindernis: In der Praxis geschieht es häufig, dass zwei Personen aus dem Motiv unverheiratet bzw. unverpartnert zusammenleben, da einer oder beide Beteiligten Witwenrente/Witwerrente beziehen. Diese soll nicht durch eine erneute Heirat/Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gefährdet werden.

 

Rz. 2

Unter den in § 46 SGB VI aufgeführten Voraussetzungen (insb. Erfüllung der allgemeinen Wartezeit i.S.d. § 50 SGB VI, grundsätzlich mindestens einjährige Ehedauer[1]) hat der verwitwete Ehegatte/eingetragene Lebenspartner Anspruch auf Witwenrente. Der überlebende nichteheliche Lebensgefährte erhält dagegen keine Witwenrente/Witwerrente.[2] § 46 SGB VI ist auf ihn weder unmittelbar noch analog anwendbar.[3] Grundsätzlich wird eine kleine Witwenrente für längstens 24 Kalendermonate nach dem Ablauf des Todesmonats geleistet (§§ 33 Abs. 4 Nr. 1, 46 Abs. 1 S. 2 SGB VI).[4] Eine zeitlich unbefristete[5] große Witwenrente wird nur gewährt, wenn die verwitwete Person ein minderjähriges oder behindertes Kind[6] erzieht, das 45. Lebensjahr vollendet hat[7] oder erwerbsgemindert ist (§§ 33 Abs. 4 Nr. 2, 46 Abs. 2, 242a Abs. 4 und 5 SGB VI).

 

Rz. 3

Zusätzliche Voraussetzung der Witwenrente/Witwerrente ist, dass die verwitwete Person nicht wieder geheiratet oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat; in diesem Fall wird Witwenrente/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten/Lebenspartner unter der zusätzlichen Voraussetzung gewährt, dass die erneute Ehe/eingetragene Lebenspartnerschaft – etwa durch Tod oder Scheidung – aufgelöst ist (§ 46 Abs. 3 SGB VI). Demgegenüber ist es ohne Auswirkung, wenn sie ("nur") eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet. Dies ergibt sich aus einem Gegenschluss zu § 46 Abs. 4 S. 1 SGB VI, der der (Wieder-)Heirat lediglich die Begründung einer Lebenspartnerschaft (i.S.d. LPartG) gleichstellt. Zudem fehlt im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI auch eine allgemeine Nichtbegünstigungsklausel, wie sie etwa § 20 SGB XII für die Sozialhilfe enthält ("Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, dürfen hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden als Ehegatten.").

[1] Nach § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen/Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Dieser Ausschluss der so genannten Versorgungsehe von der Witwenrente/Witwerrente gilt nicht für Ehen, die vor dem 1.1.2008 geschlossen wurden (§ 242a Abs. 3 SGB VI). Nach LSG Bayern v. 8.8.2012, L 13 R 555/10, BeckRS 2012, 73567, liegt ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand nicht darin, dass die Hinterbliebene und der Versicherte vor dem Tod des Versicherten schon seit vielen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben; ebenso; LSG Hessen v. 16.9.2014, L 2 R 140/13, BeckRS 2015, 67870, Tz. 52. Anders LSG Mecklenburg-Vorpommern v. 28.11.2013, L 4 R 102/10, BeckRS 2014, 65335, in einem Fall, in dem der verstorbene Ehegatte nur deshalb erst vier Monate vor seinem Tod seine mehrjährige Lebensgefährtin heiraten konnte, weil er seine Scheidung von seiner vorherigen Ehefrau abwarten musste. Das LSG Berlin-Brandenburg hat in einem Urt. v. 11.6.2015, L 22 R 89/13, BeckRS 2015, 70889, eine jahrzehntelange nichteheliche Lebensgemeinschaft im Rahmen der umfassenden Sachverhaltswürdigung als einen Umstand gewertet, der gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe spricht. Demgegenüber hat das LSG Bayern in einem Urt. v. 5.11.2014, O 20 R 390/13, BeckRS 2015, 66894 die Vermutung der Versorgungsehe auch dann als nicht widerlegt angesehen, wenn die späteren Eheleute jahrzehntelang zusammengelebt haben und dabei eine bloß allgemeine Heiratsbereitschaft hatten; LSG Hessen v. 16.9.2014, L 2 R 140/13, BeckRS 2015, 67870, Tz. 56. Zur Rechtsnatur der Versorgungsehe als unbestimmter Rechtsbegriff vgl. BSG v. 5.5.2009, B 13 R 55/08 R, FamRZ 2009, 1667; LSG Hessen v. 16.9.2014, L 2 R 140/13, BeckRS 2015, 67870.
[2] BSG v. 30.3.1994, 4 RA 18/93, NJW 1995, 3270; Ruland, NJW 1993, 3234; Kreikebohm/Löns, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 46 Rn 4. Das BVerfG hat diese Rechtsprechung in einem Kammerbeschl. v. 17.11.2010, 1 BvR 1883/10, NJW 2011, 1663 = BeckRS 2011, 48091, nicht beanstandet; dazu Schramm/Haußleiter, NJW-Spezial 2011, 326.
[3] BSG v. 30.3.1994, 4 RA 18/93, NJW 1995, 3270. Die gegen das vorstehende Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG durch Beschl. v. 2.8.1994, 1 BvR 1302/94 nicht zur Entscheidung angenommen.
[4] Ist der Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben oder ist mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren und die Ehe vor dem 1.1.2002 gesch...

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