1. Allgemeines

 

Rz. 20

Bei pflichtteilsrechtlichen Mandaten stellt sich oftmals die Frage, wie sich die anwaltlichen Gebühren berechnen, wenn entweder mehrere Auftraggeber oder mehrere anwaltlich vertretene Gegner vorhanden sind. Vertritt der Rechtsanwalt mehrere Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erben, ist zu prüfen, ob es sich hierbei um mehrere Auftraggeber i.S.d. § 7 RVG handelt. Gemäß § 7 RVG erhält der Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit mehrere Personen vertritt, die Gebühren nur einmal und nicht für jeden Auftraggeber gesondert. Nach Nr. 1008 VV RVG führt die Vertretung mehrerer Auftraggeber ggf. zu einer Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie sich die Gebühren berechnen, wenn der Pflichtteilsberechtigte im Falle des Unterliegens die Kosten der Gegenseite zu erstatten hat und jeder Gegner einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hatte.

2. Erhöhung des Streitwertes oder Gebührenerhöhung gem. § 7 RVG

 

Rz. 21

Nach h.M. in der Rspr. werden in Fällen, in denen mehrere Pflichtteilsberechtigte in demselben Verfahren ihre Ansprüche geltend machen, die einzelnen Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten addiert. Die Anwaltsgebühren berechnen sich aus der Summe der addierten Ansprüche, § 22 Abs. 1 RVG.[14] Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG wegen Vertretens mehrerer Auftraggeber erfolgt nicht. Ob eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG eintritt, hängt von folgenden Voraussetzungen ab: Es muss sich um dieselbe Angelegenheit handeln (1). Der Rechtsanwalt muss mehrere Auftraggeber vertreten (2) und es muss Gegenstandsgleichheit vorliegen (3).

[14] OLG München MDR 1990, 560; OLG Köln JurBüro 1994, 730.

a) Gegenstandsgleichheit

 

Rz. 22

Gegenstandsgleichheit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird. Ob dies der Fall ist, hängt allein von der wirklichen Rechtslage ab, nicht jedoch vom erteilten Auftrag. Im Falle der Gegenstandsgleichheit findet eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG statt.

b) Gegenstandsverschiedenheit

 

Rz. 23

Gegenstandsverschiedenheit liegt vor, wenn jeder Auftraggeber einen eigenen Anspruch geltend macht. Vertritt der Rechtsanwalt mehrere Pflichtteilsberechtigte, ist er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig. Hierfür genügt nämlich, dass die Interessen mehrerer Personen in einem gerichtlichen Verfahren verfolgt werden. Für eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG muss jedoch der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich dieser Auftraggeber derselbe sein. An einer solchen Identität fehlt es, wenn mehrere Personen jeweils ihren eigenen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben geltend machen. Es handelt sich nicht um einen gemeinschaftlichen Anspruch. Gesamtgläubigerschaft ist nicht gegeben. Jeder Pflichtteilsberechtigte hat einen eigenen individuellen Anspruch.

 

Beispiel

Drei Pflichtteilsberechtigte machen ihre jeweiligen Pflichtteilsansprüche in Höhe von je 5.000 EUR in einem Prozess gegen den Erben geltend. Für die Pflichtteilsberechtigten wird ein Rechtsanwalt tätig. Nach streitiger Verhandlung ergeht ein Urteil. Die Gebühren des Rechtsanwalts berechnen sich wie folgt:

1. 1,3-Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG aus 15.000 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG aus 15.000 EUR
3. zzgl. Auslagen und gesetzl. Umsatzsteuer.
 

Rz. 24

Eine Erhöhung gem. § 7 RVG erfolgt nicht, da keine Gegenstandsgleichheit vorliegt.

c) Haftung des jeweiligen Auftraggebers bei Gegenstandsverschiedenheit

 

Rz. 25

Sind die Gegenstände verschieden, haftet jeder Auftraggeber gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten nur für die nach dem Einzelwert zu berechnenden Gebühren. Daraus folgt, dass im Streitfall jeweils zwei Berechnungen vorzunehmen sind. Es ist einerseits der Gesamtbetrag zu ermitteln und andererseits diejenigen Gebühren, die jedem Auftraggeber entstanden wären. Werden mehrere Rechtsanwälte in derselben Angelegenheit tätig (z.B. bei Anwaltswechsel), kann jeder Rechtsanwalt u.U. die vollen Gebühren separat abrechnen. Für die Erstattungspflicht der Gegenpartei gilt § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO.

3. Gebührenberechnung, wenn der Pflichtteilsanspruch gegenüber mehreren Erben geltend gemacht wird (Fallbeispiel)

 

Rz. 26

 

Beispiel

Ein Pflichtteilsberechtigter macht seinen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 5.000 EUR gegen drei Erben geltend. Nach streitiger Verhandlung ergeht ein Urteil.

a) Vertretung des Pflichtteilsberechtigten

 

Rz. 27

Der Pflichtteilsberechtigte obsiegt. Hieraus folgt, dass er einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten gegenüber den drei Erben hat. Diese haften als Gesamtschuldner. Obsiegt der Pflichtteilsberechtigte nur teilweise, erfolgt eine Kostenquotelung. Er trägt die Kosten in Höhe seines Unterliegens. Bei Verlust des Prozesses trägt er seine Kosten selbst. Die Gebühren seines Rechtsanwalts berechnen sich wie folgt:

1. 1,3-Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG aus 5.000 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG aus 5.000 EUR
3. zzgl. Auslagen und gesetzl. Umsatzsteuer.

b) Vertretung der drei Erben durch einen Prozessbevollmächtigten

 

Rz. 28

Wird die Klage des Pflichtteilsberechtigten abgewiesen, trägt er alle Kosten. Er hat demnach seine eigenen Kosten (siehe Rdn 27 "Gebühren des Rechtsanwalts") sowie die folgenden Kosten zu tragen:

1. 1,3-Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i....

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