a) Allgemeines

 

Rz. 42

Den Rechtsanwalt treffen im Rahmen seiner Tätigkeit diejenigen Pflichten, die sich typischerweise aus seinem Berufsbild ergeben. Hierzu zählen die Verschwiegenheitspflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB), die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und insbesondere die Sorgfalts- und Informationspflichten, die dem Rechtsanwalt vor dem Hintergrund der Interessenswahrnehmungen dem Mandanten gegenüber obliegen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Rechtsanwalt zu Beginn des Mandats darauf hinzuweisen hat, dass gem. § 49b Abs. 5 BRAO die Abrechnung seiner Tätigkeit nach Gegenstandswert erfolgt, sofern keine Gebührenvereinbarung getroffen wird. Ggf. bestehende Mandatsbeziehungen zum Gegner müssen dem Mandanten ebenfalls bereits zu Beginn des Mandats mitgeteilt werden.

b) Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung

 

Rz. 43

Gerade zu Beginn des Mandats obliegt dem Rechtsanwalt eine besondere Aufklärungspflicht. Er muss den für seine Bearbeitung notwendigen Sachverhalt aufklären. Dabei trifft den Rechtsanwalt die Pflicht, den Sachverhalt so zu hinterfragen, dass er sich hiervon ein umfassendes Bild machen kann.[30] Hierbei muss der Rechtsanwalt selbst aktiv werden und zwar so weit, dass er eine umfassende Begutachtung der Rechtslage vornehmen kann. Es genügt daher grundsätzlich nicht, wenn er sich von den Mandanten lediglich den Sachverhalt erklären lässt. Den Mandanten trifft im Gegenzug ebenso die Verpflichtung, den Rechtsanwalt bestmöglich über den ihm bekannten Sachverhalt zu unterrichten. Der Rechtsanwalt muss die ihm gegenüber gemachten Angaben nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüfen und auch keine eigenen Ermittlungen anstellen.[31] In der Regel darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der Behauptungen und Angaben des Mandanten vertrauen. Bestehen jedoch Zweifel an der Richtigkeit, müssen diese überprüft werden.[32]

 

Rz. 44

Aufgrund der Komplexität erbrechtlicher und pflichtteilsrechtlicher Mandate sollte der Rechtsanwalt gerade in diesem Bereich seiner Aufklärungsverpflichtung in besonderem Maße nachkommen. So hat er sich wenigstens über die Familienverhältnisse, über das Vermögen, über alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen, über die zu Lebzeiten vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen und anrechnungs- bzw. ausgleichspflichtigen Vorempfänge zu informieren.[33]

 

Rz. 45

Anhand der erhaltenen Informationen ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den Mandanten über die rechtliche Situation vollumfänglich aufzuklären. Erfolgt dies seitens des Rechtsanwalts nicht, so kann im Falle eines Aufklärungsdefizits eine anwaltliche Haftung entstehen.[34]

[30] BGH NJW 1994, 1472.
[31] BGH VersR 1994, 1344.
[32] BGH NJW 1994, 2293.
[33] Der vorgeschlagene Mandantenfragebogen (siehe Rdn 3) bietet hierfür einen Anhaltspunkt. Er nimmt jedoch nicht die Vollständigkeit aller zu erfragenden Informationen für sich in Anspruch.
[34] Vgl. BGH BRAK-Mitt. 2002, 22.

c) Ermittlungspflicht

 

Rz. 46

Die Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts führt jedoch nicht dazu, dass er die vom Mandanten erhaltenen Informationen überprüfen muss. Ihn trifft insoweit keine Ermittlungspflicht. Bestehen allerdings Zweifel an den Angaben des Mandanten, so ist der Rechtsanwalt verpflichtet, sich selbst von der Richtigkeit der Informationen zu überzeugen.[35] Der Rechtsanwalt ist nur dann zur Aufklärung und Ermittlung verpflichtet, wenn er selbst eher in der Lage ist, die notwendigen Informationen zu beschaffen. So ist im Rahmen eines pflichtteilsrechtlichen Mandats in jedem Fall Einsicht in die Nachlassakten zu nehmen. Ferner sollten die Personenstandsdaten (PStG) und der Güterstand (Güterrechtsregister, § 1558 BGB) überprüft werden. Für den Fall, dass im Nachlass Immobilien vorhanden sind, sollte der Pflichtteilsberechtigte Grundbucheinsicht beantragen und im Falle des Vorhandenseins eines Geschäftsbetriebs in jedem Fall einen Handelsregisterauszug etc. anfordern, damit der Rechtsanwalt seiner eingeschränkten persönlichen Ermittlungspflicht nachkommen kann.[36]

 

Rz. 47

Im Rahmen der Aufklärungs- und der eingeschränkten Ermittlungspflicht ist der Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Kenntnisstand stets zu überprüfen. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Informationen seitens des Mandanten nicht vollständig oder richtig waren, muss der Rechtsanwalt dem nachgehen. Er ist insoweit verpflichtet, gegebenenfalls neue Informationen einzuholen.[37] Der BGH hat entschieden, dass den Rechtsanwalt im Rahmen seiner vollständigen Beratung die Pflicht trifft, alle Punkte aufzuklären, die für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sind.[38] Über Zweifel darf sich der Rechtsanwalt nicht hinwegsetzen. Er ist vielmehr verpflichtet, durch die richtigen Fragen an den Auftraggeber die tatsächlichen Grundlagen "ans Licht" zu bringen.[39]

[35] BGH VersR 1994, 1344.
[36] BGH NJW 1981, 2741.
[37] Hansen, NJW 1992, 1353.
[38] BGH NJW 1961, 601.
[39] BGH NJW 1961, 601.

d) Pflicht zur Prüfung der Rechtslage

 

Rz. 48

Den Rechtsanwalt trifft grundsätzlich die Verpflichtung, sich alle notwendigen Rechtskenntnisse[40] anzueignen, die er für die Überprüfung der Rechtslage und des Auftrags seines Ma...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge