Rz. 159

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts-Familiengericht - ist gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG bei diesem einzulegen. Die Regelung ist nicht nur für Familienstreitsachen, sondern für alle Familiensachen sachlich verfehlt. Die mit der Vorschrift beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung wird in ihr Gegenteil verkehrt, weil in Familiensachen das Ausgangsgericht gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG in Endentscheidungen gerade zur Abhilfe nicht befugt ist. A. Fischer[218] bemerkt zutreffend, das Amtsgericht – Familiengericht – fungiere hier lediglich als bessere Posteingangsstelle für das Beschwerdegericht. Die Regelung erweise sich in Familiensachen als nachteilig, da die Akte ihren Weg zum Beschwerdegericht erst einige Zeit nach Eingang des Rechtsmittels findet. Der effektive Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 64 Abs. 3 FamFG sei beeinträchtigt. Dem Beschwerdeführer könnten etwaige Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels oder den Erfolg eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren oft erst stark verzögert bekannt gegeben werden.[219] In Ehe- und Familienstreitsachen sei die Beschwerdebegründung wiederum bei dem Beschwerdegericht einzureichen, womit über Anträge auf Verlängerung der Begründungsfrist ohne Kenntnis vom Inhalt des Verfahrens zu bescheiden sei. Die Vorschrift sollte möglichst schnell geändert werden-sachgerecht ist es allein, wenn die Beschwerde in Familiensachen beim Beschwerdegericht, also beim Oberlandesgericht eingelegt werden muss.

 

Rz. 160

 

Praxistipp

Die Beschwerde darf nicht beim Oberlandesgericht als Beschwerdegericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1a) GVG) eingelegt werden, diese Möglichkeit ist auch nicht alternativ gegeben. § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG weicht erheblich von § 519 Abs. 1 ZPO ab, nach dem die Berufung beim Berufungsgericht einzulegen ist und auch von § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO, nach dem die sofortige Beschwerde sowohl bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird als auch bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden kann. Dies bereitet in der familiengerichtlichen Praxis noch immer Schwierigkeiten und birgt ein hohes Haftungsrisiko für den Rechtsanwalt.

Sendet das Oberlandesgericht die fälschlicherweise bei ihm eingelegte Beschwerde an das Amtsgericht und geht diese dort erst nach Fristablauf ein, so ist die Beschwerde nicht fristgerecht erfolgt.[220] Das gilt auch dann, wenn Amts-, Land- und Oberlandesgericht im selben Gebäudekomplex untergebracht sind,[221] wie bei den in der Praxis immer häufiger entstehenden sogenannten "Justizzentren". Deshalb ist es gerade in solchen Fällen dringend erforderlich, die Beschwerdeschrift ausdrücklich an das Amtsgericht als Ausgangsgericht zu richten. Selbst wenn der bei einer derartigen Sachlage an das Beschwerdegericht adressierte Umschlag mit der Beschwerdeschrift zwar beim Ausgangsgericht eingeht, dort jedoch als bloßer Irrläufer an das Beschwerdegericht weitergeleitet wird, ist die Beschwerde nicht beim Amtsgericht eingelegt worden, sondern läuft an diesem vorbei.[222]

Es besteht hier ein erhebliches Haftungsrisiko des Rechtsanwalts. Das Beschwerdegericht ist zwar verpflichtet, die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht weiterzuleiten,[223] das Risiko des verspäteten Eingangs trägt jedoch der Beschwerdeführer.

 

Rz. 161

Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 2 S. 1, S. 2 FamFG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Familienstreitsachen gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG ausdrücklich ausgeschlossen. Zweck der Vorschrift ist es, die sonst gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 78 Abs. 3 ZPO auszuschließen, um hierdurch den bei entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 3 ZPO nach § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG entfallenden Rechtsanwaltszwang für die Einlegung der Beschwerde zu bewirken.[224]

 

Rz. 162

Da eine Schrift verlangt wird, muss die Schriftform gewahrt sein.[225] Auch in Verfahren nach dem FamFG muss sie gemäß § 184 GVG in deutscher Sprache abgefasst sein. Die Beschwerdeschrift muss zudem gemäß § 64 Abs. 2 S. 4 FamFG vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers unterzeichnet sein.

 

Rz. 163

 

Praxistipp

Mündliche Erklärungen reichen folglich nicht aus, erst recht nicht spontane Unmutsäußerungen in der mündlichen Verhandlung die gerade bekannt gegebene Entscheidung betreffend und auch nicht bloße Ankündigungen, den Rechtsweg beschreiten zu wollen.[226]

Die Beschwerde kann nicht durch einfache E-Mail eingelegt werden. Die Übermittlung eines elektronischen Dokuments ersetzt nur dann die Schriftform, wenn sie durch eine Rechtsverordnung nach dem gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG entsprechend anwendbaren § 130a ZPO zugelassen ist.[227] Es reicht gerade nicht aus, dass die Übermittlung bloß technisch möglich ist.[228] Wegen der einzuhaltenden umfangreichen Anforderungen an die Form des Dokuments, insbesondere aber an die Qualifikation der von § 130a ZPO zwingend geforderten elektronis...

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