Rz. 80

Die Schlichtung ist unter § 203 BGB zu subsumieren, die Hemmung der Verjährung durch das Führen von Verhandlungen.

 

Rz. 81

Die Schlichtung ist als ein Fall des pactum de non petendo zu qualifizieren. Die Schlichtung beinhaltet nämlich die Vereinbarung, vorübergehend die Einklagbarkeit der Forderung auszuschließen.[22] Die Tatsache, dass die Parteien über den Anspruch miteinander verhandeln genügt allerdings nicht.[23] Auch die Abrede, ein Sachverständigengutachten einzuholen, reicht nicht aus, um den Tatbestand der Hemmung zu erreichen. Andererseits ist ein solches Stillhalteabkommen dann anzunehmen, wenn die Entscheidung im Rahmen eines Vorprozesses herbeigeführt werden soll oder wenn ein Dritter auf Ersatz in Anspruch genommen werden soll oder wenn ein einverständliches Schiedsgutachten eingeholt werden soll. Natürlich hat die Rechtsprechung sich damit beschäftigt, welche Sachverhalte dem so genannten pactum de non petendo gleichzustellen sind. Verhandeln nämlich die Parteien über Grund und Höhe des Anspruches, greift § 242 BGB ein, wenn die Beteiligten darauf vertrauen durften, dass die Parteien mit der Zurückstellung der gerichtlichen Geltendmachung einverstanden sind. Ausdrücklich mit der Schlichtung hat sich der BGH im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Schlichtung- und Gutachterstelle für Arzthaftpflichtstreitigkeiten 1980 auseinandergesetzt.[24] Dabei kam es auch auf die Bedeutung des § 852 BGB an. Es geht um Ansprüche auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens. In Abs. 2 der genannten Regelung heißt es:

 

Schweben zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über den zu leistenden Schadenersatz, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.

In einer noch sehr jungen Entscheidung hat der BGH sich mit Schadenersatzansprüchen vor ärztlichen Schlichtungsstellen beschäftigt. Er hat dabei festgestellt, dass der Eintritt der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.F. nicht voraussetzt, dass sich der Arzt oder der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer auf das Schlichtungsverfahren einlässt. Dies gelte auch dann, wenn ein Schlichtungsverfahren nach der Verfahrensordnung der jeweiligen Schlichtungsstelle nur dann durchgeführt wird, wenn Arzt und Haftpflichtversicherer der Durchführung des Verfahrens zustimmen, vgl. BGH NJW 2017, 1879 ff.

Hintergrund dieser Entscheidung ist es, dass § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.F. ein entsprechendes Einvernehmen von vornherein nicht voraussetzt. Denn ob der Schlichtungsantrag nach der Verfahrensordnung der jeweiligen Schlichtungsstelle unzulässig oder unbegründet ist, sei für den Eintritt der Hemmungswirkung grundsätzlich unerheblich. Diese Entscheidung trifft sicherlich auf Gütestellen und andere Verfahrensordnungen ähnlicher Art zu. Bei der Schlichtung, wie sie hier behandelt wird, kann diese Entscheidung sicherlich nicht angewandt werden, da sie tatsächlich ein gemeinsames Verhandeln voraussetzt. Im Übrigen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nach dem Ende eines Güteverfahrens die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach dem Zeitpunkt endet, nachdem die Gütestelle die Bekanntgabe dieser Mitteilung veranlasst hat, vgl. BGH NJW 2016, 236 ff.

 

Rz. 82

Der BGH hat herausgestellt, dass das Tatbestandsmerkmal "Verhandeln" i.S.d. § 203 BGB weit auszulegen ist. Der Senat neigt daher auch dazu, eine Hemmung auch bei einem reinen Gutachterverfahren zu bejahen, auf das sich der betreffende Arzt eingelassen hat. In dem entschiedenen Fall kam es auf diesen Gesichtspunkt nicht an, da der Kläger erheblich später nach Abschluss des Gutachterverfahrens Klage erhoben hat.

 

Rz. 83

In jedem Fall wurde mit der genannten BGH-Entscheidung deutlich gemacht, dass das Verhandeln vor der Gutachterstelle als Hemmungstatbestand i.S.d § 852 Abs. 2 BGB und damit auch i.S.d. § 203 BGB zu qualifizieren ist. Diese Entscheidung über die Gutachterstelle ist auf eine Schlichtung anzuwenden. Bei einer Schlichtung wählen die Parteien ganz bewusst dieses Instrument zur Streitbeilegung und machen damit deutlich, und zwar schriftlich durch den Vertrag und durch das Verhandeln, dass sie solange die Ansprüche nicht gerichtlich geltend machen können und wollen, so lange das Schlichtungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

 

Rz. 84

Der Begriff des Verhandelns i.S.d. § 203 ZPO ist dabei weit zu fassen. Er liegt bereits vor, wenn das Schuldnerverhalten bei dem Gläubiger den Eindruck erweckt, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches ein.[25]

 

Rz. 85

Mit der ausdrücklichen Erklärung des Gläubigers, die Verhandlungen nicht mehr weiterführen zu wollen, endet allerdings in jedem Fall dieser Hemmungstatbestand.

 

Rz. 86

Die Schlichtung ist ein Gespräch, ein Verhandeln im weitesten Sinne. Dieses wiederum erfüllt das Tatbestandsmerkmal des Verhandelns mit der weiteren Folge, dass somit die Schlichtung als Sachverhalt qualifiziert werden muss, der den Tatbestand ...

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