Rz. 103

Die Revision wandte sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klage habe durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen werden dürfen.

Gemäß § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht die Endentscheidung durch Teilurteil zu erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. § 301 ZPO dient der Beschleunigung, soll aber auch die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Entscheidung in ein und demselben Rechtsstreit gewährleisten (vgl. Senatsurt. v. 12.1.1999 – VI ZR 77/98, VersR 1999, 734 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist; dabei ist auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurt. v. 29.3.2011 – VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn 15). Eine solche Gefahr besteht in der Regel bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (vgl. Senatsurt. v. 29.3.2011 – VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn 16). Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei subjektiver Klagehäufung, aber auch bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge auftreten (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2003 – V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 143). Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Über ein Prozessrechtsverhältnis darf deshalb nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden, wenn eine gemeinsame Beweisaufnahme in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.2012 – X ZR 59/11, BGHZ 193, 60 Rn 8; v. 19.12.2002 – VII ZR 176/02, ZIP 2003, 594 f.). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (BGH, Urt. v. 13.10.2008 – II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn 8).

 

Rz. 104

Eine materiell-rechtliche Verzahnung, die einem Teilurteil entgegenstehen kann, kommt bei der Klage gegen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer, die im Verhältnis untereinander einfache Streitgenossen sind (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1974 – IV ZR 212/72, BGHZ 63, 51, 52 ff.), regelmäßig dann in Betracht, wenn um den Haftungsgrund gestritten wird. Eine solche Verzahnung hindert nicht stets den Erlass eines Teilurteils, insbesondere dann nicht, wenn die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit nicht gegen alle Streitgenossen zulässig ist. Dann besteht in aller Regel ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis, den Streitgenossen, bezüglich dessen die Klage bereits unzulässig ist, durch Teilurteil aus dem Prozess zu entlassen.

 

Rz. 105

So verhielt es sich im Streitfall, weil das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu Recht verneint hatte.

Die internationale Zuständigkeit richtete sich hier nach der schon zitierten Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO), nachdem die Klage nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung am 1.3.2002 erhoben (vgl. Art. 76, 66 Abs. 1 EuGVVO) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Belgien als Mitgliedstaat eröffnet war. Die sie ersetzende Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO 2012, ABl. L. 351 v. 20.12.2012, S. 1) gilt gemäß deren Art. 81 S. 2, Art. 66 Abs. 1 erst für diejenigen Klagen, welche ab dem 10.1.2015 erhoben wurden.

 

Rz. 106

Die Beklagte, die Unfallgegnerin des hier klagenden Geschädigten, hatte ihren Wohnsitz in Belgien. Auch die mitverklagte Beklagte zu 2, ihr Haftpflichtversicherer, hatte den Sitz in Belgien.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu 2 gegeben sein konnte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – C-463/06, Slg. 2007, I-11321 – FBTO/Odenbreit), der der erkennende Senat gefolgt ist, kann nach Art. 11 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat (vgl. Senatsurt. v. 6.6.2008 – VI ZR 200/05, BGHZ 176, 276 Rn 3, 5).

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