Rz. 188

Bis zum Inkrafttreten des neuen VVG galten ergänzend stets die allgemeinen Regelungen zur Haftpflichtversicherung (§§ 149 ff. VVG a.F.). Dem entsprechen nunmehr die allgemeinen Regeln zur Haftpflichtversicherung, die §§ 100111 VVG und die besonderen Vorschriften für die Pflichtversicherung (§§ 113124 VVG). Die Neuregelungen des VVG gelten für Verträge, die ab dem 1.1.2008 geschlossen werden, uneingeschränkt. Zu Übergangszeiten sind die Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, Art. 1 ff. EGVVG zu beachten.

 

Rz. 189

Die Allgemeinen Vorschriften für die Haftpflichtversicherung sind sachlich weitestgehend unverändert geblieben.[374] Dem geschädigten Dritten etwa steht in der allgemeinen Haftpflichtversicherung demnach weiterhin kein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers zu (vgl. aber § 115 VVG für die Pflichtversicherung). Sie enthalten jedoch mit den Regelungen über die Unwirksamkeit eines Anerkenntnis-/Befriedigungsverbotes (§ 105 VVG) sowie des Abtretungsverbotes (§ 108 VVG) zwei erwähnenswerte Neuerungen, die – insbesondere für die Prozessführung – grundlegende Folgen nach sich gezogen haben. Zu Einzelheiten verweise ich auf das Kapitel zur Allgemeinen Haftpflichtversicherung (siehe Rdn 25 ff.). Hier nur so viel: Versicherer sind künftig grundsätzlich nicht an ein Anerkenntnis des Versicherungsnehmers gebunden; sie können vielmehr dieses Anerkenntnis im Deckungsprozess überprüfen lassen.[375] Und zudem tragen die Versicherungsnehmer bei der dann zu beurteilenden Frage, ob und inwieweit die anerkannte Forderung auch ohne Anerkenntnis begründet wäre, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen zu Einwendungen und Einreden.

Wegen § 108 Abs. 2 VVG kann nun ggf. der Versicherungsnehmer seinen ihm aufgrund Allgemeiner Versicherungsbedingungen zustehenden Befreiungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer an den Geschädigten – aber eben auch nur an den Geschädigten, nicht wirksam an Dritte[376] – abtreten ("Direktanspruch 2. Grades"). Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers wandelt sich dann in der Person des Geschädigten in einen Zahlungsanspruch um. Durch Individualvereinbarungen – wohl nicht aber durch AGB – könnte Abweichendes (vgl. § 108 Abs. 2 VVG i.V.m. § 305b BGB) geregelt werden.

 

Rz. 190

Für die Pflichtversicherung (vgl. § 113 VVG) ergeben sich in den §§ 113124 VVG Sonderregelungen. § 113 VVG enthält eine Legaldefinition: Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht – so lautet § 113 VVG – sei eine Pflichtversicherung. Eine Übersicht über die Pflicht-Haftpflichtversicherungen auf Bundes- wie auf Landesebene finden Sie in den gängigen Kommentaren zum VVG.[377]

In diesen Bereichen gelten ergänzend die §§ 113 ff. VVG. Im Bereich der Pflichtversicherung kann der Dritte seinen Anspruch nach § 115 VVG damit künftig unter Umständen direkt gegen den Versicherer geltend machen. Dies gilt aber nur unter den in § 115 Abs. 1 Ziffern 1 bis 3 VVG genannten Voraussetzungen, also z.B. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Vgl. zu Einzelheiten das Kapitel Allgemeine Haftpflichtversicherung (siehe Rdn 25 ff.).

[374] Vgl. dazu alle aktuellen Publikationen zum neuen VVG, u.a. Meixner/Steinbeck, § 3 Rn 2, S. 145 ff.; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 4. Aufl. 2010.
[375] Lange, VersR 2007, 1313; Meixner/Steinbeck, § 3 Rn 13, S. 148.
[376] Vgl. § 108 Abs. 1 und 2 VVG: Dazu auch Marlow/Spuhl, 94; Meixner/Steinbeck, § 3 Rn 16, S. 148, 149.
[377] Zu Pflicht-Haftpflichtversicherungen auf Bundesebene vgl. auch BT-Drucks 16/5497; im Zusammenhang mit der Produkthaftpflicht sei verwiesen u.a. auf §§ 88 Abs. 1, 94 ArzneimittelG für pharmazeutische Unternehmer, auf Prüf- und Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (§ 7 Abs. 1 der VO über das "Inverkehrbringen" von Heizkesseln und Geräten nach dem Bauproduktegesetz); Stellen zur Überwachung überwachungsbedürftiger Anlagen (vgl. § 2 Nr. 30 und § 34 Abs. 1 ProdSG 2011).

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