a) Geistesstörungen

 

Rz. 88

In der Rechtsprechung spielt die Geistesstörung keine große Rolle, da § 3 I AUB 88/94 bereits festlegt, dass Personen wie etwa Geisteskranke nicht versicherbar und demzufolge nicht versichert sind.

b) Bewusstseinsstörungen

 

Rz. 89

Die Bewusstseinsstörung spielt in der Rechtsprechung dagegen eine ganz entscheidende Rolle und ist gerade im Bereich des Straßenverkehrs von erheblicher Bedeutung. Bewusstseinsstörung bedeutet eine krankheitsbedingte oder auf Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinnahme beruhende Störung der Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit. Der Grund für diesen Leistungsausschluss des Versicherers liegt im gesteigerten Risiko, einen Unfall zu erleiden. Der Versicherer argumentiert, dass in einer solchen Situation der Versicherungsnehmer nicht mehr in der Lage ist, die Gefahr zu erkennen, so dass der Versicherer dieses Risiko nicht übernehmen will. Die Mehrzahl der Bewusstseinsstörungen, mit denen sich die Gerichte zu beschäftigen hatten, waren alkoholbedingte Bewusstseinsstörungen.

aa) Außerhalb des Straßenverkehrs

 

Rz. 90

Außerhalb des Straßenverkehrs gibt es keine festen Promillegrenzen, anhand welcher sich Aussagen dazu treffen ließen, ab wann von einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung auszugehen ist (vgl. BGH VersR 1993, 960). Der Versicherungsnehmer muss aber jedenfalls erheblich alkoholisiert sein. Die Rechtsprechung reicht von 2,4 ‰ (OLG Nürnberg r+s 2000, 437) bis 2,67 ‰ (OLG Köln r+s 2006, 252).

bb) Innerhalb des Straßenverkehrs

 

Rz. 91

Liegt dagegen ein Unfall im Straßenverkehr vor, so setzt die Rechtsprechung die alkoholbedingte Bewusstseinsstörung mit der aus dem Strafrecht bekannten relativen und absoluten Fahruntüchtigkeit gleich. Anders als im Strafrecht setzt der BGH bei der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung nach den AUB dagegen die untere Grenze bei 0,8 ‰ an. Demgegenüber reicht die obere Grenze der relativen Fahruntüchtigkeit bis unter 1,1 ‰. Liegt ein solcher Fall vor, d.h. ein Wert von 0,8 bis unter 1,1 ‰, so muss ein alkoholtypisches Fehlverhalten hinzukommen, wie im Strafrecht. Der Unterschied zum Strafrecht liegt jedoch darin, dass die relative Fahruntüchtigkeit nicht bereits bei 0,3 ‰, sondern laut BGH erst bei 0,8 ‰ beginnt (vgl. BGH VersR 1988, 950). Liegt dagegen ein Fall der absoluten Fahruntüchtigkeit vor, und zwar ein Promillewert ab 1,1, wie wir ihn bei Kraftfahrern (Auto, Motorräder, Lkw, Busse etc.) kennen, so ist automatisch auch eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung nach den AUB gegeben, wobei auch hier nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises gegeben ist. Konkret bedeutet dies, dass, selbst wenn der Versicherungsnehmer behauptet, er könne zwei Flaschen Wodka und zwei Flaschen Whiskey trinken und würde nichts merken, dieser Versicherungsnehmer mit diesen Argumenten nicht gehört wird, sondern allein aufgrund der BAK der Ausschluss gegeben ist. Bei der sog. relativen Fahruntüchtigkeit in der Prüfung der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung nach den AUB sind die Beispiele in der Rechtsprechung ähnlich wie im Strafrecht gelagert, in denen bei einer BAK von 0,97 ‰ ein alkoholtypisches Fehlverhalten bejaht wird. Es gibt hier folgende Beispiele:

Umfahren eines Verkehrsschildes auf einer Verkehrsinsel innerorts, BAK 0,97 ‰ (OLG Koblenz VersR 2002, 181);
Abkommen von einer geraden oder leicht kurvigen Fahrbahn (OLG Düsseldorf VersR 2004, 1041);
zu spätes Erkennen von Hindernissen (OLG Nürnberg VersR 1990, 480);
links abbiegen ohne Beachtung des Gegenverkehrs, BAK 0,94 ‰ (OLG Koblenz VersR 2002, 43).
 

Rz. 92

Dagegen ist es kein alkoholtypischer Fahrfehler, wenn der Versicherungsnehmer mit einer BAK von 0,8 Promille von einer trockenen, schnurgeraden Autobahn abkommt, da dies auch ohne Alkohol einem müden Fahrer passieren kann oder bei einem Reifenplatzer oder beim Abkommen von der Fahrbahn bei Glatteis (OLG Düsseldorf VersR 2004, 1041; OLG Saarbrücken VersR 2004, 1262; BGH r+s 2005, 282). Bei diesen Fällen kann auch ohne Alkohol der Unfall eintreten, so dass kein Ausschluss aufgrund einer Bewusstseinsstörung greift.

 

Praxistipp

Generell kann gesagt werden, dass individuell bei jedem Fall zu prüfen ist, ob ein alkoholtypisches Fehlverhalten des Versicherungsnehmers vorliegt oder nicht. Wenn es gerade nicht alkoholtypisch ist und auch einem nüchternen Fahrer dieser Fehler hätte passieren können, hat der Anwalt gute Chancen, trotz relativer Fahruntüchtigkeit keine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung im Sinne der AUB bejahen zu müssen. Es ist daher immer zu prüfen, ob sog. verzeihliche Fahrfehler innerhalb der Prüfung der relativen Fahruntüchtigkeit (0,8 bis unter 1,1 ‰) gegeben sind.

Generell können die Grundgedanken aus dem Strafrecht herangezogen werden, um zu prüfen, ob die Blutprobe ordnungsgemäß entnommen wurde und ob diese nach den standardisierten Regeln ausgewertet worden ist. Liegen hier Beweisverwertungsprobleme vor, so kann auch aus diesem Grunde selbstverständlich nicht von (einem Ausschluss) der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung ausgegangen werden.

cc) Sonstige Verkehrsteilnehmer

 

Rz. 93

Hinsichtlich der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung bei anderen Verkehrsteilnehme...

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