Rz. 129
Unabhängig davon, ob in einem Gespräch zwischen dem Jugendamt und dem Personen- bzw. Erziehungsberechtigten – sofern mit diesem überhaupt eine Kontaktaufnahme möglich ist[435] – eine adäquate Lösung gefunden werden kann oder es letztlich bei dem Widerspruch gegen die Inobhutnahme bleibt und das Jugendamt aufgrund sorgfältiger Risikoeinschätzung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Herausgabe zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde, muss im Sinn einer ermessensunabhängigen Handlungsverpflichtung unverzüglich eine familiengerichtliche Entscheidung durch das Jugendamt herbeigeführt werden.[436] Diese richtet sich nicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Jugendamtes zu Vornahme oder Aufrechterhaltung der Inobhutnahme.[437] Dieser Aspekt ist ggf. in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren zu prüfen.[438] Sie richtet sich allein auf die im Zusammenhang mit der Kindeswohlgefährdung zu treffenden sorgerechtlichen Maßnahmen nach §§ 1666, 1666 a BGB[439] (vgl. hierzu ergänzend § 1 Rdn 184 ff.), wobei inzident auch die im Zusammenhang mit der Krisensituation notwendigen Eingriffe zu prüfen sind.[440] Der Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung bedarf es auch, wenn der Personensorgeberechtigte im Rahmen des Hilfeplanverfahrens keinen Antrag auf eine notwendige Anschlusshilfe – etwa Hilfe zur Erziehung – stellt. Die Fortdauer der Inobhutnahme ist daher nur rechtmäßig, wenn das Jugendamt unverzüglich dafür Sorge trägt, dass ein fehlendes Einverständnis des Personensorgeberechtigten mit einer Anschlussmaßnahme familiengerichtlich ersetzt wird.[441] Es versteht sich dabei von selbst, dass die familiengerichtliche Entscheidung unverzüglich zu treffen ist.[442] Mit der Entscheidung des Familiengerichts über die zur Abwendung einer Gefahr für das Kindeswohl erforderlichen Maßnahmen ist das Verfahren nach § 1666 BGB abgeschlossen. Für das Jugendamt besteht dann ohne das Hinzutreten neuer Umstände, die eine erneute Inobhutnahme rechtfertigen oder einen neuen Antrag nach § 1666 BGB stützen würden, kein weiterer Entscheidungsspielraum mehr für die Einleitung stationärer Maßnahmen gegen den Willen der Personensorgeberechtigten.[443]
Die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts orientiert sich primär an § 152 Abs. 2 FamFG, so dass für den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes nicht ermittelt werden kann, der Ort maßgeblich ist, an dem das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wurde (§ 152 Abs. 3 FamFG; siehe dazu eingehend § 1 Rdn 372 ff.).
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen