Rz. 371

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich gemäß § 152 FamG danach, ob eine Ehesache der Eltern anhängig ist oder nicht.

Während der Anhängigkeit einer Ehesache ist für Kindschaftssachen, die gemeinschaftliche Kinder der Ehegatten betreffen, ausschließlich das Gericht zuständig, bei dem die Ehesache im ersten Rechtszug anhängig ist oder war (§ 152 Abs. 1 FamFG). Weil es sich hierbei um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt, ist auch eine Abgabe der Kindschaftssache an eine anderes Familiengericht (§ 4 FamFG) ausgeschlossen.[1316]

 

Rz. 372

Ansonsten beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (§ 152 Abs. 2 FamFG).

Nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Gesetzeslage war der Wohnsitz des Kindes entscheidend, solange eine Ehesache noch nicht anhängig war. Seinen Wohnsitz nach § 11 BGB teilte das Kind mit den sorgeberechtigten Eltern. Dies führte dazu, dass im Zusammenhang mit der Trennung der Eltern das Kind zunächst – bis zur Regelung der elterlichen Sorge – über einen Doppelwohnsitz verfügte. Dies schuf das Problem einer doppelten örtlichen Zuständigkeit des Gerichts mit entsprechenden Konsequenzen: Wettlauf zwischen den Eltern, Zuständigkeitskonflikte zwischen den Gerichten und damit einhergehende zeitliche Verzögerungen des Verfahrens.

Dies hat der Gesetzgeber durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in § 152 FamFG nun gelöst. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bestimmt sich danach, an welchem Ort es den Schwerpunkt seiner Bindungen in familiärer oder gegebenenfalls auch bereits beruflicher Hinsicht hat, d.h. wo sein Daseinsmittelpunkt liegt.[1317] Abweichend vom Wohnsitz ist es nicht erforderlich, dass eine Person einen tatsächlichen Willen dazu hat, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen.[1318] Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird bereits dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeit angelegt ist und er künftig der Daseinsmittelpunkt sein soll.[1319] Ein Kleinkind hat regelmäßig denselben gewöhnlichen Aufenthalt wie die Person, dies es ständig betreut.[1320] Beträgt die Aufenthaltsdauer aber nicht länger als 8 Wochen und lässt sich aus den Umständen im Übrigen nicht schließen, dass der neue Aufenthalt auf längere Zeit angelegt ist und künftig der Daseinsmittelpunkt des Kindes werden soll, weil der zukünftige Lebensmittelpunkt maßgeblich vom Ergebnis des eingeleiteten Sorgerechtsverfahrens abhängen wird, so ist am neuen Aufenthaltsort noch kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet.[1321] Anders ist freilich die Lage, wenn sich die Eltern vor Verfahrenseinleitung darauf verständigen, dass das Kind vorläufig seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei dem umgezogenen Elternteil haben soll.[1322] Ein Kind, das vorübergehend in einer Bereitschaftspflegefamilie lebt, hat dort regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort i.S.v. § 152 Abs. 2 FamFG.[1323]

 

Rz. 373

Ist die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach § 152 Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG nicht gegeben, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird (§ 152 Abs. 3 FamFG). Wird dieses Bedürfnis an verschiedenen Orten bekannt, ist die Zuständigkeit im Rahmen einer Gesamtschau nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen.[1324] Ist der Aufenthalt des Kindes unbekannt, etwa weil es in ein polizeiliches Schutzprogramm einbezogen ist oder weil aus sonstigen Gründen eine Auskunftssperre[1325] eingetragen ist, so ist ausnahmsweise der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers für die örtliche Zuständigkeit maßgeblich.[1326]

 

Rz. 374

Soweit es um Maßnahmen nach § 1693 BGB geht, d.h. die Eltern an der Ausübung der Sorge gehindert sind, ist immer auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird, § 152 Abs. 4 FamFG.[1327]

 

Rz. 375

Die Bestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes sind hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit Bestandteile der verfahrensrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften. Für sie gilt deutsches Recht als lex fori (aber zur internationalen Zuständigkeit in den Fällen mit Auslandsbezug siehe § 11).[1328]

 

Rz. 376

§ 152 FamFG steht im Zusammenhang mit § 2 FamFG. Durch die dort in Abs. 2 ausdrücklich vorgesehene perpetuatio fori wird die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts grundsätzlich mit dessen erstmaliger Befassung festgelegt.[1329] Von einer Befassung in diesem Sinn ist bei Antragsverfahren auszugehen, sobald dort erstmals ein entsprechender Antrag mit dem Ziel der Entscheidung durch dieses Gericht eingeht. Handelt es sich demgegenüber um ein Amtsverfahren, so ist entscheidend, wann das Gericht amtlich erstmals Kenntnis von den Tatsachen erlangt, die Anlass für gerichtliche Maßnahmen sein können.[1330] Die Zuständigkeit besteht bis zum rechtskräftigen Abschluss der Sache fort; hiervon abweichend gilt sie auch für die Verlängerung einer befristet angeordneten Umgangspflegschaft (siehe zu dieser § 2 Rdn 39).[13...

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