Rz. 15

 

Fall als Einstieg

Zwischen der Mutter und zwei Kindern – einer Tochter T und einem Sohn S – besteht nach dem Tod des Vaters eine Erbengemeinschaft. Die Mutter wurde zur Hälfte Miterbin, die Kinder zu je einem Viertel. Zum Nachlass gehört ein Festgeldkonto mit einem Guthaben von 200.000 EUR. Über die Auseinandersetzung konnten sich die Erben wegen streitiger Ausgleichspflichten bisher nicht einigen. Der Sohn S ist Betriebswirt bei einer Bank und ist der Meinung, dass im Hinblick auf die Unsicherheit über die endgültige Stabilität des EUR ein Teil des Geldes – jeweils 50.000 EUR in Gold und Schweizer Franken angelegt werden müsse, um einen etwaigen Schaden zu begrenzen. Eine solche Umschichtung hält er im Interesse aller Erben für eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme. Die beiden anderen Miterbinnen haben dem Vorhaben jedoch nicht zugestimmt.

Er will wissen, ob er deren Zustimmung dazu braucht, und wenn ja, ob sie zu deren Erteilung verpflichtet sind.

Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt im Laufe dieser Abhandlung.

I. Allgemeines

 

Rz. 16

Die Erbengemeinschaft ist eine Gesamthandsgemeinschaft, an der jeder Miterbe mit einem bestimmten Anteil, seinem "Erbteil", beteiligt ist (§ 1922 Abs. 2 BGB). Eine gesetzliche Norm, aus der sich die Rechtsnatur der Erbengemeinschaft ablesen lassen könnte, kennt das BGB nicht. Allenfalls § 2033 Abs. 2 BGB, wonach der Miterbe über seinen Anteil am einzelnen Nachlassgegenstand nicht verfügen kann – entsprechend den Regeln bei der GbR und der Gütergemeinschaft in §§ 719 Abs. 1 und 1419 Abs. 1 BGB – kennzeichnet das Charakteristikum der Gesamthandsgemeinschaft.

 

Rz. 17

Grundsätzlich ist die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung angelegt. Sie dient in erster Linie dem Zweck, nach der Befriedigung der Nachlassgläubiger und Versilberung der Nachlassgegenstände durch Verteilung des Überschusses an die Erben aufgelöst zu werden. Sie hat – im Gegensatz zu anderen Gesamthandsgemeinschaften – keinen werbenden Zweck. Dies ergibt sich aus dem Auseinandersetzungsanspruch jedes Miterben nach § 2042 Abs. 1 BGB.[19]

 

Rz. 18

Zwischen dem Erbfall und der endgültigen Auflösung der Gemeinschaft muss der Nachlass trotzdem sinnvoll verwaltet werden. Diese Verwaltungsbefugnis kommt den Miterben zu, es sei denn, der Erblasser hätte sie einem Testamentsvollstrecker übertragen.

 

Rz. 19

Nur wenige Bestimmungen hat das Gesetz über die Verwaltung des Nachlasses vorgesehen, nämlich die §§ 2038 bis 2040 BGB. Im Übrigen verweist es in § 2038 Abs. 2 BGB auf einzelne Vorschriften der Bruchteilsgemeinschaft.

II. Begriff

 

Rz. 20

Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen zur Erhaltung, Nutzung oder Vermehrung des Nachlasses, gleichgültig, ob es sich um Maßnahmen des Innenverhältnisses oder des Außenverhältnisses handelt. Der Begriff ist weit auszulegen.

Wir erinnern uns an den Ausgangsfall: Der Sohn will mit der Umschichtung das Festgeld in seinem Wert erhalten.

Nach außen gilt grundsätzlich das Prinzip gesamthänderischen Handelns, das nur ausnahmsweise durch Fälle gesetzlicher Stellvertretung bei Notmaßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung durchbrochen wird.

 

Rz. 21

Beispiele für Verwaltungsmaßnahmen:

Maßnahmen zur Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht,
Abschluss von Werkverträgen für erforderliche Reparaturen an Nachlassgegenständen,
Abschluss und Kündigung von Miet- und Pachtverträgen,[20]
Begleichung laufender Verbindlichkeiten,[21]
Fortführung eines Erwerbsgeschäfts,[22]
Durchsetzung von Forderungen im Klageweg und der Abschluss eines Vergleichs hierüber,[23]
Darlehenskündigung,[24]
Kündigung eines Giro- und Sparkontovertrages.[25]
 

Rz. 22

Keine Verwaltungshandlung ist der Widerruf einer Erblasservollmacht, die jeder Miterbe mit Wirkung für sich alleine widerruft.[26]

[20] BGHZ 56, 50; BGH, Beschl. v. 3.12.2014 – IV ZA 22/14, FamRZ 2015, 497.
[21] BGH FamRZ 1965, 269.
[22] BGHZ 30, 391, 394, 397 f.
[23] BGHZ 46, 280.
[26] BGHZ 30, 391, 397 f.; BGH NJW 1962, 1718; OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, ZErb 2012, 18.

III. Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung

1. Organisation der Erbengemeinschaft

 

Rz. 23

Anders als das Recht der Personengesellschaft unterscheidet das Recht der Erbengemeinschaft bei der Strukturierung ihrer Organisation nicht zwischen Geschäftsführung als Berechtigung und Verpflichtung im Innenverhältnis einerseits und Vertretung im Außenverhältnis andererseits, sondern spricht von Verwaltung (Innenverhältnis) und Verfügung (Außenverhältnis) über Nachlassgegenstände.

 

Rz. 24

Für die – ordnungsgemäße – Verwaltung gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip nach Erbquoten (§§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB), während für Verfügungen gemeinschaftliches Handeln vorgesehen ist (§ 2040 Abs. 1 BGB) – freilich nicht gleichzeitiges und gleichartiges: Eine frühere Einwilligung oder eine spätere Genehmigung eines Miterben reicht aus. Ebenso ist eine Stellvertretung (§ 164 BGB) möglich.

 

Rz. 25

Nach h.M. ber...

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