a) Ausgangslage

 

Rz. 15

Mit dem isolierten Beweisverfahren gem. § 485 Abs. 2 ZPO wird die Möglichkeit eröffnet, den Sachverhalt vor einem streitigen Verfahren durch schriftliche Begutachtung klären zu lassen, wenn dafür ein rechtliches Interesse besteht und die Feststellungen der Vermeidung eines Rechtsstreites dienen können. Erforderlich ist zusätzlich, dass einer der in § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO enumerativ genannten Gegenstände begutachtet werden soll.[14] Nach § 485 Abs. 2 Nr. 1–3 ZPO kann ein vorprozessuales Sachverständigengutachten in einem selbstständigen Beweisverfahren nur über

den Zustand einer Person bzw. Zustand/Wert einer Sache,
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels und/oder
den Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels

eingeholt werden. Nur für diese gesetzlichen Tatbestände kann eine Begutachtung erfolgen.

 

Rz. 16

 

Beispiele

Aufgrund einer Beweisanordnung nach § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zum (vergangenen oder gegenwärtigen) Zustand einer Person oder einer Sache kann der Sachverständige damit beauftragt werden, den Grad der Invalidität eines Versicherungsnehmers zu bestimmen,[15] die Vereinbarkeit der Ausführung von Mauern mit technischen Regeln zu bewerten[16] oder die Ausgestaltung des Schallschutzes von Räumlichkeiten zu klären.[17] Auch kann danach gefragt werden, ob Schäden und Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer bzw. Bewohner – aus sachverständiger Sicht – erkennbar waren.[18] Keiner Begutachtung nach § 485 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist zugänglich, ob dem Antragsteller durch das Verhalten des Antragsgegners Gewinne in einer bestimmten Mindesthöhe entgangen sind.[19]

In einem selbstständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann geklärt werden, ob Planungs- oder Bauüberwachungs- und/oder Ausführungsfehler als Ursache der behaupteten Mängel in Betracht kommen.[20] Zur Feststellung der Ursache eines Mangels gehört auch die Feststellung des Verursachers.[21] Bei mehreren Verursachern hat der Sachverständige – allein aus technischer Sicht – eine Verursachungsquote festzustellen. In Arzthaftungssachen kann ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Behandlung als fehlerhaft eingeholt werden; nach Auffassung des BGH soll auch die Frage nach einem groben Behandlungsfehler eröffnet sein.[22]

Zum nach § 485 Abs. 2 Nr. 3 ZPO als Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens möglichen Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens gehören Nachteile, die auf die Gesundheitsverletzung zurückzuführen sind, sich also als Folge aus dem der Person entstandenen Schaden ergeben. Hierzu gehören etwa die Kosten für notwendige Heilbehandlungen sowie Kur- und Pflegekosten, aber auch der entgangene Gewinn bzw. eine Vermehrung der Bedürfnisse.[23] Zum Aufwand zur Beseitigung eines Sachschadens bzw. Sachmangels gehören sämtliche Mängelbeseitigungsarbeiten.[24] Hierzu gehören alle Leistungen in Geld oder Zeit. Die Beweisaufnahme kann sich auch darauf erstrecken, welche Maßnahmen zur Beseitigung nötig und möglich sind, wenn der Aufwand davon abhängt.[25]

[16] OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 111277.
[20] OLG München BauR 1998, 363.
[21] OLG Frankfurt/M. BauR 1995, 275.
[23] Zum Ganzen BGH NJW-RR 2010, 946.
[24] OLG Koblenz OLGR 2004, 77.
[25] OLG Hamm BeckRS 2014, 02254.

b) Antrag

 

Rz. 17

Der Antrag muss enthalten:

die Bezeichnung des Gegners;
den Antrag auf Feststellung des Zustandes einer Person oder einer Sache, der Ursache eines Personen- oder Sachschadens oder Sachmangels sowie des Aufwandes oder der Maßnahmen für die Beseitigung durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Unschädlich ist, dass sich die vorgetragene Vermutung über eine Schadensursache oder einen Mangel später als falsch erweist;[26]
die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der Tatsachen zur Beurteilung der Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens (rechtliches Interesse) sowie der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (u.a. Streitwert der potentiellen Hauptsache). Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen insbesondere Urkunden (Verträge, Baubeschreibungen etc.) und die eidesstattliche Versicherung in Betracht.
 

Rz. 18

 

Tipp

Der Antrag sollte das Beweisthema so exakt wie möglich angeben. Dazu gehört vor allem, auf welchen festzustellenden Tatsachen der Zustand der Sache oder Person beruht, bei Sachmängeln gehört hierzu insbesondere die exakte Angabe des Mangels in seiner äußeren Erscheinungsform unter gleichzeitiger Angabe seiner Lage. Baumängel müssen zumindest ihrem äußeren Erscheinungsbild nach angegeben werden. Sämtliche mit der gleichen Ursache zusammenhängenden Schäden und Folgen werden dann erfasst (sog. Symptomtheorie). Die Schadenbeseitigungsmaßnahmen und der sonstige Beseitigungsaufwand einschließlich der Kosten können, müssen aber nicht geschätzt werden.

 

Rz. 19

Gegenstand der Beweiserhebung muss ...

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