Leitsatz

Die Durchführung eines gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum setzt nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um eine Beschlussfassung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln bemüht hat.

 

Normenkette

ZPO § 485; WEG § 21 Abs. 4 und Abs. 5

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K begehrt die sachverständige Feststellung von Mängeln des Trittschallschutzes zwischen seiner und der darüber liegenden Wohnung, die im Sondereigentum von Wohnungseigentümer B steht. Nach Vorbringen des A dient dies der Vorbereitung des Vorgehens gegen Wohnungseigentümer B und die übrigen Wohnungseigentümer, wegen eines vermuteten Anspruchs auf erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Trittschallschutzes.
  2. Das Amtsgericht verwirft den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens als unzulässig. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des K weist das Landgericht zurück. Es erachtet den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Umfang von Schäden und deren möglicher Ursachen sowie zur Notwendigkeit von Instandsetzungsarbeiten sei eine (vorbereitende) Maßnahme der Instandsetzung im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, für die die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich zuständig seien. Im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts sei es zunächst den Wohnungseigentümern überlassen, in welchem Umfang und durch welchen Sachverständigen sie Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum feststellen lassen. Ihr Ermessen würde bei Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung vorweggenommen, weil die Wohnungseigentümer nur noch über die etwaige konkrete Mängelbeseitigung, nicht aber über Art und Umfang der vorbereitenden gutachterlichen Bestandsaufnahme entscheiden könnten. Hier sei eine Vorbefassung weder erfolgt noch als sinnlose Förmelei entbehrlich.
  3. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt K seinen Antrag weiter. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die Durchführung eines gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum setze nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um einen Beschlussfassung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln bemüht habe.

  1. Für die Beschlussfassung über Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung sei primär allerdings die Versammlung der Wohnungseigentümer zuständig (§ 21 Abs. 1 und 3, § 23 Abs. 1 WEG). Daher fehle der auf Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung gerichteten Leistungsklage eines Wohnungseigentümers das Rechtsschutzbedürfnis, wenn dieser sich vor Anrufung des Gerichts nicht um die Beschlussfassung bemühe – sogenanntes Vorbefassungsgebot.
  2. Dieser Grundsatz gelte aber nicht für den gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Antrag eines Wohnungseigentümers auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum. In Rechtsprechung und Literatur sei allerdings umstritten, ob das Vorbefassungsgebot auch in diesem Fall zu beachten sei. Nach einer Ansicht, der auch das Beschwerdegericht folge, fehle einem solchen Antrag das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis oder das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 2 ZPO, wenn der Wohnungseigentümer nicht zuvor eine Beschlussfassung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln herbeigeführt habe (Hinweis u.a. BeckOK WEG/Elzer, Stand 1. Oktober 2017, § 43 Rn. 259d). Nach anderer Ansicht sei die Vorbefassung der Wohnungseigentümer in diesem Fall nicht erforderlich (Hinweis u.a. auf LG München I v. 25.7.2016, 1 T 10029/16 und Briesemeister, IMR 2016, S. 441). Diesen Stimmen sei auch zu folgen.
  3. Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO könne eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran habe, dass die Ursache eines Sachmangels bzw. der Aufwand für dessen Beseitigung festgestellt werden. Ein rechtliches Interesse sei nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses sei weit zu fassen. Insbesondere sei es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend könne ein rechtliches Interesse nur in völlig eindeutigen Fällen verneint werden, in denen evident sei, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen könne (Hinweis auf BGH v. 20.10.2009, VI ZB 53/08, NJW-RR 2010 S. 946 Rn. 6 und BGH v. 16.9.2004, III ZB 33/04, NJW 2004 S. 3488).
  4. Der Anspruch eines Wohnungseigentümers gegen die übrigen Wohnungsei...

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