Rz. 23

Die wichtigste Voraussetzung für die Abänderbarkeit einer Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung ist, dass sich rechtliche oder tatsächliche Umstände geändert haben, die für die Bewertung des Ausgleichswerts eines Anrechts maßgeblich sind. Diese Fallgruppe entspricht dem früheren Recht. Als derartige Umstände kommen etwa in Betracht:

Änderungen des Leistungsrechts (wie z.B. die rückwirkende Zuerkennung von Kindererziehungszeiten, wie zuletzt durch die Einführung der sog. "Mütterrente" für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder[14]),
die Veränderung der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung,
die Berücksichtigung von Zeiten der Pflege von Familienangehörigen in der gesetzlichen Rentenversicherung,
die vorzeitige Dienstunfähigkeit eines Beamten vor Erreichen der Regelaltersgrenze, die bei der zeitratierlich zu bewertenden Beamtenversorgung (§§ 40, 44 VersAusglG) zur Veränderung des Ehezeitanteils führen kann,
die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst aus disziplinarischen Gründen unter Verlust der Altersversorgung,
die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bzw. der Altersgrenze bei zeitratierlich zu bewertenden Versorgungen,
die Herabsetzung der Tätigkeit eines Beamten auf eine Teilzeittätigkeit, sodass auch die Höhe der Versorgung betroffen ist.
 

Rz. 24

Diese Änderungen müssen nach dem Ende der Ehezeit eingetreten sein, also zumindest nach dem Ende des Monats, welcher der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorausging (vgl. § 3 Abs. 1 VersAusglG). Wegen § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG ist dieser Zeitpunkt aber sogar auszudehnen auf das Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Versorgungsausgleichssache, denn alle bis zu diesem Zeitpunkt eintretenden Veränderungen, die sich auf den Wert des Ehezeitanteils auswirken, hätten bereits im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden müssen.[15] Das ist neu und bedeutet ggü. dem früheren Recht eine erhebliche Einschränkung, denn diese Voraussetzung bewirkt, dass eine Fehlerkorrektur in Bezug auf Entscheidungen zum Ausgleich bei der Scheidung nicht mehr möglich ist:[16] Sind die Umstände vor dem Stichtag eingetreten, mussten sie bereits beim Ausgleich anlässlich der Scheidung berücksichtigt werden. Fehler der Entscheidung hätten dann mit Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung geltend gemacht werden müssen. Eine nachträgliche Berücksichtigung kommt nicht mehr in Betracht. Das gilt v.a. in Bezug auf die Erweiterung des Versorgungsausgleichs auf bislang "vergessene" Anrechte (Rdn 23), zur fehlenden Möglichkeit, diese Anrechte schuldrechtlich auszugleichen, siehe § 9 Rdn 15 ff.).

 

Rz. 25

 

Praxistipp

Die früheren weiteren Abänderungsgründe (§ 10a Abs. 1 Nr. 2 und 3 VAHRG a.F.) sind entfallen. Noch verfallbare betriebliche Anrechte sind nun allein schuldrechtlich (§§ 20 ff. Vers­AusglG) auszugleichen (§§ 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 VersAusglG). Dabei bleibt es auch dann, wenn das Anrecht später unverfallbar wird. Die Fallgestaltungen des früheren § 10a Abs. 1 Nr. 3 VAHRG kommen im heutigen Ausgleichssystem nicht mehr vor, da alle Anrechte, die teilungsreif sind, im Wertausgleich bei der Scheidung vollständig geteilt werden.

 

Rz. 26

Kein Abänderungsgrund ist auch ein Wertunterschied, der sich nach einer externen Teilung aus der unterschiedlichen Dynamik des auszugleichenden und des als Ausgleich neu begründeten Anrechts ergibt (vgl. Rdn 12).[17] Diese ist hinzunehmen, denn in den Fällen des § 14 VersAusglG und des § 17 VersAusglG hat der Ausgleichsberechtigte die Zielversorgung selbst gewählt und ist deswegen für deren schlechtere Dynamik selbst verantwortlich, und in den Fällen des § 16 Vers­AusglG war es eine gesetzgeberische Entscheidung, den Ausgleich in jedem Fall über die gesetzliche Rentenversicherung durchzuführen, so dass die Hinnahme von deren Dynamikdefiziten dem Ausgleichsberechtigten bewusst zugemutet wurde.

[14] Zu den Auswirkungen der Einführung der Mütterrente und den Gefahren eines unbedachten Abänderungsantrags siehe Bachmann/Borth, FamRZ 2014, 1329; Götsche, FamRB 2014, 149; Langheim, FF 2014, 222; Breuers, FuR 2015, 495.
[15] HK-VersAusglR/Götsche, § 225 FamFG Rn 20; Ruland, Rn 1091; enger Wick, Rn 842, der auf das Ende der Ehezeit i.S.d. § 3 Abs. 1 VersAusglG abstellt.
[16] BGH FuR 2015, 532; Krenzler/Borth/Norpoth, H, Rn 407.
[17] BT-Drucks 16/10144, S. 98.

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