Rz. 8

Bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften kann die Beibringung einer MPU angeordnet werden.

Damit sollen die Fälle erfasst werden, in denen ein Führerscheininhaber schon durch einen Verstoß, der ein erhebliches Gewicht hat, Bedenken gegen seine Fahreignung auslöst – etwa einmalige exorbitante Überschreitung der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit, die eine außergewöhnliche Rücksichtslosigkeit zeigt – oder die Eignungsbedenken durch wiederholte Verstöße begründet werden, die ein dauerhaft gestörtes Regelverhältnis besorgen lassen.[11]

Wiederholte Verstöße liegen vor, wenn innerhalb von 20 Monaten nach Wiedererteilung der FE vier Geschwindigkeitsverstöße, die zu einer Eintragung von 10 Punkten (altes Punktsystem) geführt hatten, begangen werden.[12]

 

Rz. 9

Auch bei einer Häufung von Bagatellverstößen kann die charakterliche Eignung in Frage gestellt sein. Denn bei einer beharrlichen Missachtung der Rechtsvorschriften auch im Bagatellbereich ist zu besorgen, dass eine mangelhafte Einhaltung zu den Verkehrsregeln im Übrigen besteht. Das VG Berlin[13] und das OVG Berlin-Brandenburg[14] legen eine "Faustformel" an, ab wann Bedenken bzgl. der Fahreignung bestehen: über ein Jahr nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verstoß (zugrunde lagen im Fall des VG Berlin: 127 Parkverstöße und 17 Geschwindigkeitsüberschreitungen in 2 Jahren). Der VGH Mannheim stellt demgegenüber auf eine Einzelfallbetrachtung ab und lehnt eine Faustformel ab.[15]

 

Rz. 10

Wann ein Verstoß oder eine Straftat "erheblich" ist, ist dogmatisch noch nicht eindeutig geklärt. Entscheidend ist stets der Rückschluss auf die Fahreignung. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieses Tatbestands insbesondere an FE-Inhaber gedacht, die durch eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten oder die Teilnahme an illegalen Straßenrennen Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung haben entstehen lassen. Wenn daneben als alternatives Tatbestandsmerkmal für eine Gutachtensbeibringungsanordnung ein "erheblicher Verstoß" genannt wird, wird daraus deutlich, dass der erhebliche Verstoß sich "qualitativ" vom "einfachen" eintragungsfähigen Verstoß unterscheiden muss. Daraus ergibt sich jedenfalls, dass ein Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, der gerade einmal die Grenze zur Eintragungspflichtigkeit überschreitet, in der Regel noch kein erheblicher sein kann. Anlage 13 wie auch Anlage 12 zur FeV stellen keine Anhaltspunkte dafür dar, wann eine Zuwiderhandlung als "erheblich" einzustufen ist.[16]

Als erhebliche Verkehrsverstöße sind anzusehen:

Vorfahrtsverletzung mit Verkehrsunfall und eine Unfallflucht[17]
eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 44 km/h außer Orts[18]

Nicht erheblich:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außer Orts um 21 km/h[19]
einfache Körperverletzung[20]
[11] NdsOVG v. 2.12.1999, NJW 2000, 685; v. 21.11.2006, NZV 2007, 327: innerorts innerhalb von 4 Monaten > 32 km/h und >47 km/h.
[12] BayVGH, Beschl. v. 7.2.2012, 11 CS 11.2708, juris; VGH BW, Beschl. v. 5.5.2014, 10 S 705/14, zfs 2014, 415, juris.
[13] VG Berlin, Beschl. v. 10.9.2012, 4 L 271.12, ZfS 2013, 59.
[14] OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.10.2008, 1 M 10.08, juris.
[15] VGH BW, Beschl. v. 20.11.2014, 10 S 1883/14, zfs 2015, 114 – in 6 Jahren 151 Verstöße im ruhenden Verkehr, auch zusätzlich Rotlicht-, Geschwindigkeitsverstöße, Alkoholfahrt.
[16] BayVGH, Beschl. v. 7.8.2014, 11 CS 14.352, NJW 2014, 3802, juris.
[17] BayVGH, Beschl. v. 23.2.2012, 11 ZB 11.2995, juris.
[18] BayVGH, Beschl. v. 2.2.2010, 11 CS 09.2636, juris.
[19] BayVGH, Beschl. v. 7.8.2014, 11 CS 14.352, NJW 2014, 3802, juris.
[20] OVG NRW, Beschl. v. 10.9.2014, 16 B 912/14, juris.

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