Rz. 12

 

§ 1 KSchG – Sozial ungerechtfertigte Kündigungen

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) 1Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

2Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.

in Betrieben des privaten Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann

und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,

2.

in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann

und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.

3Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

4Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) 1Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Abs. 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben.

2In die soziale Auswahl nach S. 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

3Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) …

1. Krankheitsbedingte Kündigung

 

Rz. 13

Nach § 1 II KSchG kann der Arbeitgeber aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers – auch während der Krankheit[16] – kündigen; wichtigster Unterfall ist die krankheitsbedingte Kündigung.[17] Die Wirksamkeit der Kündigung setzt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers durch die zu erwartenden Fehlzeiten voraus, verbunden mit einer negativen Gesundheitsprognose. Die dann vorzunehmende Interessenabwägung muss ergeben, dass dem Arbeitgeber bei einer umfassenden konkreten Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Krankheitsursachen,[18] der Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und des Lebensalters des Arbeitnehmers die Beeinträchtigung seiner Interessen nicht mehr länger zuzumuten ist.

 

Rz. 14

Zur negativen Gesundheitsprognose ist hervorzuheben: Ist ausweislich ärztlicher Gutachten mit einer Genesung in den nächsten 24 Monaten nach Ausspruch der Kündigung nicht zu rechnen, steht diese Ungewissheit einer krankheitsbedingten dauerhaften Leistungs- und Arbeitsunfähigkeit gleich, so dass eine Kündigung dann regelmäßig wirksam ist.[19] Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an; vor der Kündigung liegende Krankheitszeiten können in den Prognosezeitraum (24 Monate) nicht eingerechnet werden.[20]

 

Rz. 15

Die Kündigung als ultima ratio ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft und geprüft hat, ob und wie er die Kündigung durch andere, mildere Maßnahmen (z.B. Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches oder einer anderen Tätigkeit) vermeiden kann. Nach § 1 II 2 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 lit b KSchG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.[21] Das gilt nach § 1 II 3 KSchG ...

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