Rz. 95

Werden für die Nachbesserung Neuteile verwendet, weil aus Zeitgründen keine geeigneten, gebrauchten Ersatzteile beschafft werden konnten, kommt ein Anspruch des Verkäufers auf Wertausgleich in Betracht.[218] Bejaht wird dieser Anspruch dann, wenn keine andere Nachbesserungsmöglichkeit besteht und der Wert des Fahrzeugs insgesamt sich tatsächlich erhöht[219] und wenn durch die Werterhöhung keine dem Käufer aufgedrängte Bereicherung vorliegt,[220] also z.B. Wartungskosten, die demnächst angefallen wären und damit eingespart werden oder die Kosten für die Beseitigung eines anderen Mangels, der zwangsläufig mit behoben wird.

 

Rz. 96

Der Anspruch kann sich nur aus §§ 242, 254 BGB analog[221] oder aus § 812 BGB ergeben. Wegen der Bestimmung des § 439 Abs. 2 BGB fehlt es jedoch an einer Regelungslücke. Solange die Kosten zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlich sind, sind diese auch nicht ungerechtfertigt i.S.d. § 812 BGB, sondern eben nach § 439 Abs. 2 BGB zu erstatten. Beim Rücktritt braucht der Käufer bei von ihm unverschuldeter Verschlechterung der Kaufsache (§ 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB) keinen Wertersatz zu leisten. Für die Nachbesserung darf nichts anderes gelten, wenn man nicht noch eine weitere Schlechterstellung des Verbrauchers neben dem Nachbesserungsrecht des Verkäufers selbst herbeiführen will. Im Falle eines zu groben Missverhältnisses hat der Verkäufer das Recht, die Nachbesserung wegen unverhältnismäßig hoher Kosten abzulehnen (§ 439 Abs. 3 BGB).

 

Rz. 97

Im Ergebnis kann der Verkäufer nach der hier vertretenen Auffassung von dem Käufer eine Beteiligung an den Nachbesserungskosten nach den Grundsätzen "Neu für Alt" nicht verlangen, auch wenn durch die Reparatur zwangsläufig eine Wertverbesserung eintritt.[222] Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn der Käufer das Angebot einer Reparatur mit gebrauchten qualitätsgesicherten Ersatzteilen ausdrücklich ablehnt[223] oder bei einer echten Ersparnis von Kosten, die der Käufer ohne die Nachbesserung sowieso gehabt hätte.[224] Das setzt aber voraus, dass der Verkäufer tatsächlich einen Mehraufwand hatte; andernfalls hat der Käufer nichts auf Kosten des Verkäufers erlangt i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Fälle werden sehr selten sein.

 

Rz. 98

Für den Fall der Nachlieferung braucht der Käufer trotz §§ 439 Abs. 4, 100 BGB nach richtiger Auffassung für die Nutzung des gebrauchten Fahrzeugs Gebrauchsvorteile nur ausnahmsweise und in engen Grenzen zu erstatten,[225] da dem Käufer umgekehrt ein Nutzungsersatz für den – wegen des Mangels überhöhten – Kaufpreis für den mangelhaften Pkw nicht zuerkannt wird. Für den Verbrauchsgüterkauf (vgl. § 14 Rdn 1 ff.) hat der BGH[226] festgestellt, dass Ansprüche des Verkäufers auf Wertersatz und Herausgabe der gezogenen Nutzungen wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen sind. § 439 Abs. 4 BGB ist nicht mehr für den Verbrauchsgüterkauf anzuwenden (§ 474 Abs. 2 S. 1 BGB).

[218] Hermanns, zfs 2001, 437, 439; Ball, NZV 2004, 217, 221.
[219] AG Bad Hersfeld NJW RR 1999, 1211; LG Freiburg zfs 2006, 91 m. abl. Anm. Diehl; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 13, § 635 Rn 7.
[220] Reinking, DAR 2002, 15, 19 und zfs 2003, 57, 61.
[221] Palandt/Grüneberg, § 254 Rn 3.
[222] Ebenso Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 24; Erman/Grunewald, § 439 Rn 9; Ball, NZV 2004, 217, 221; MüKo/Westermann, § 439 Rn 18; Skamel, DAR 2004, 565, 568.
[223] AG Kenzingen SVR 2004, 276 (dazu Otting, SVR 2004, 276).
[224] Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 24; a.A. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn 53.
[225] OLG Nürnberg NJW 2005, 3000; LG Nürnberg-Fürth NJW 2005, 2558; Gsell, NJW 2003, 1969, 1971 ff.; Köhler, ZGS 2004, 48, 53; Ball, NJW 2004, 217; Woitkewitsch, VuR 2005, 1 ff.; a.A. MüKo/Westermann, § 439 Rn 19; Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 34; Erman/Grunewald, § 439 Rn 19; Westermann, JZ 2001, 530, 537.
[226] BGH DAR 2009, 85 = NJW 2009, 427; EuGH DAR 2008,328 m. Anm. Lorenz.

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