1. Antrag

 

Rz. 125

Ist das Kind von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat entführt worden, kann sich der Antragsteller an die Zentrale Behörde in Deutschland[384] wenden. Diese prüft dann die Vollständigkeit und das Vorhandensein der erforderlichen Mindestangaben und leitet den Antrag an die Zentrale Behörde des ersuchten Staates weiter. Der Antrag wird der Zentralen Behörde im ersuchten Staat in der Originalsprache zugeleitet. Übersetzungen in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des ersuchten Staates können aber beigefügt werden (§ 5 IntFamRVG; Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 45 ff.).[385]

 

Rz. 126

Ist das Kind nach Deutschland verbracht worden bzw. wird es in Deutschland zurückgehalten, wird der im Ausland ansässige Elternteil seinen Antrag in der Regel über die Zentrale Behörde in Deutschland stellen. Diese veranlasst zunächst die notwendigen Arbeiten, § 4 IntFamRVG, wenn dem eingehenden Gesuch keine deutsche Übersetzung beigefügt worden ist. Dann prüft die Zentrale Behörde, ob die Voraussetzungen entsprechend Art. 12, 3 HKÜ erfüllt sind. Ist der Antrag auf Rückführung des Kindes nicht begründet, kann die Zentrale Behörde die Annahme des Antrages ablehnen, Art. 27 HKÜ. Gegen diesen Ablehnungsbescheid kann nach § 8 IntFamRVG eine Entscheidung des OLG Köln als dasjenige OLG, in dessen Bezirk die Zentrale Behörde ihren Sitz hat, herbeigeführt werden.

 

Rz. 127

Liegen die Voraussetzungen nach Art. 12, 3 HKÜ vor, unterrichtet die Zentrale Behörde das Familiengericht am Ort des Aufenthalts des Kindes über den vorliegenden Antrag unter Hinweis auf Art. 16 HKÜ, um zu vermeiden, dass der entführende Elternteil unter Verschweigen des wi­derrechtlichen Verbringens bei diesem Gericht eine ihm günstige Sorgerechtsregelung erschleicht.[386] Nach Eingang des Verfahrenskostenvorschusses bzw. der vollständigen Verfahrenskostenhilfeunterlagen leitet die deutsche Zentrale Behörde das Gerichtsverfahren bei dem nach § 11 IntFamRVG zuständigen Gericht ein.

 

Rz. 128

Die Antragstellung über die Zentrale Behörde ist aber nicht zwingend.[387] Das folgt unmittelbar aus Art. 29 HKÜ. Der antragstellende Elternteil kann auch unmittelbar das nach § 11 IntFamRVG zuständige Familiengericht anrufen. Denn schließlich soll das Verfahren für den Antragsteller größtmöglich beschleunigt und nicht durch eine obligatorische Einschaltung zusätzlicher Dienststellen beeinträchtigt werden.[388] Eine sofortige Antragstellung bei Gericht wird in der Regel jedoch nur dann geeignet sein, das Verfahren ohne unnötige Verzögerungen durchzuführen, wenn dem antragstellenden Elternteil der Aufenthalt des Kindes bekannt ist. Ohne diese Information wird eine Bearbeitung des Antrages durch die Zentrale Behörde dem Erfordernis der beschleunigten Verfahrensabwicklung eher gerecht als eine Bearbeitung durch das angerufene Gericht. Einerseits kann die Zentrale Behörde Informationen zum Zwecke der Ermittlung des Aufenthaltes eines zurückgehaltenen oder entführten Kindes über das Bundeskriminalamt oder die örtlichen Polizeidienststellen einholen,[389] und nach § 7 IntFamRVG eigene Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung veranlassen. Andererseits ist sie durch § 6 IntFamRVG kraft Gesetzes bevollmächtigt, gerichtliche oder außergerichtliche Rückführungsmaßnahmen unmittelbar in die Wege zu leiten. Und zuletzt sollte erwähnt sein, dass die Mitarbeiter der deutschen Zentralen Behörde das HKÜ-Verfahren "in- und auswendig" kennen und es schnellstmöglich betreiben. Zur Frage der Schaffung einer Kann-Beteiligten-Stellung der Zentralen Behörde siehe Rdn 133.

 

Rz. 129

Die Antragsschrift des betreffenden Elternteils an das Gericht sollte bereits Maßnahmen der Zwangsvollstreckung enthalten. Dazu gehören auch Ermächtigungen zur Gewaltanwendung. Ein eventuell erforderliches Vollstreckungsverfahren kann dadurch so effizient wie möglich gestaltet werden. Daneben sollten in der Antragsschrift auch Kostenanträge gestellt werden. Schließlich sollte der sofortige Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 15 IntFamRVG beantragt werden, mit der der Aufenthalt des Kindes für die Dauer des Verfahrens – etwa durch Anordnung einer Grenzsperre, der Hinterlegung von Ausweispapieren, einer Meldepflicht, ggf. auch die Anordnung einer Kaution (siehe dazu auch Art. 10 Abs. 2 Buchst. b EUÜ[390] – und ggf. auch ein Umgang des zurückgelassenen Elternteils mit dem Kind gesichert werden können.

[384] Das Bundesamt für Justiz, www.bundesjustizamt.de.
[385] Finger, ZfJ 1999, 15; der Text des IntFamRVG ist abgedr. unter § 14 J.
[386] Siehe zum Verhältnis von Art. 16 HKÜ und dem Anerkennungsverfahren nach Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO Rn 130.
[387] A.A. Mansell, NJW 1990, 2176.
[388] Bach, FamRZ 1997, 1050.
[389] Weitzel, DAVorm 2000, 1059.
[390] Siehe auch zum zivilrechtlichen Strafversprechen Menne, FamRB 2015, 359, 361 f.

2. Zuständigkeitsregelungen

a) Sachliche Zuständigkeit

 

Rz. 130

Wird eine gerichtliche Entscheidung erforderlich, ist die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben, § 23b Abs. 1 S. 1 GVG.

Für die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahm...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge