Rz. 50

Art. 3 MSA betrifft den Fall, dass nach dem Heimatrecht des Kindes ein gesetzliches Gewaltverhältnis besteht, in das ausländische Behörden nicht eingreifen dürfen. Betroffen sind jedoch nur Gewaltverhältnisse, die unmittelbar auf Gesetz beruhen. Ein Gewaltverhältnis nach deutschem Recht als Aufenthaltsrecht kann z.B. nach § 1626a Abs. 2 BGB – originäre Alleinsorge der mit dem Vater nicht verheirateten Mutter – bestehen. Hier ist es der ausländischen Behörde wegen Art. 3 MSA untersagt, eine Regelung nach Art. 1 MSA zu treffen.

 

Rz. 51

Eine Schutzmaßnahme stellt nur dann einen Eingriff in das gesetzliche Gewaltverhältnis eines fremden Staates i.S.d. Art. 3 MSA dar, wenn das Recht dieses Staates eine solche Maßnahme nicht zulässt.[125] Aber Art. 3 MSA hindert die Anwendung deutschen Rechts nicht, wenn eine ernstliche Gefährdung des Kindes vorliegt. Eine ernstliche Gefährdung des Kindeswohls i.S.d. Art. 8 MSA ist in der Regel anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 BGB erfüllt sind, also das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes u.a. durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Bestimmung gefährdet ist.[126]

 

Rz. 52

Leben die Eltern eines minderjährigen Kindes, das die türkische Staatsbürgerschaft besitzt und sich gewöhnlich in Deutschland aufhält, getrennt, so steht das nach türkischem Recht gegebene gesetzliche Gewaltverhältnis des Vaters (sog. Stichentscheid bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern) im Sinne des Art. 3 MSA einer Sorgerechtsregelung nicht entgegen, die der Mutter die Ausübung der elterlichen Sorge erlaubt.[127] Die internationale Zuständigkeit, die wegen der Auslandsberührung (türkische Staatsangehörigkeit der Eltern und des Kindes) vorrangig zu prüfen ist, folgt aus Art. 1 MSA, der insoweit Art. 19 EGBGB verdrängt. Sind deutsche Gerichte international zuständig, ist nach Art. 2 MSA auch materiell deutsches Recht anzuwenden.[128]

[125] BGH FamRZ 1997, 1070.
[126] OLG Köln FamRZ 1991, 363; vgl. LG Hamburg IPRax 1998, 490; AG Korbach JAmt 2002, 525.
[127] BGH FamRZ 1992, 794; OLG Koblenz FamRZ 1990, 552; vgl. auch OLG Köln FamRZ 1991, 362; OLG Celle FamRZ 1989, 1324.
[128] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.8.2003 – 6 UF 11/03; OLG Köln FamRZ 1991, 363.

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