Rz. 59

BGH, Urt. v. 9.12.2014 – VI ZR 138/14, zfs 2015, 325 = VersR 2015, 503

Zitat

ZPO § 287 Abs. 1; BGB §§ 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 632 Abs. 2, 823 Abs. 1; FStrG §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 Abs. 2, 5 Abs. 1; StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Zur Ermittlung der erforderlichen Kosten für die Beseitigung von Fahrbahnverschmutzungen ("Ölspur"), wenn der Geschädigte bei der Schadensbeseitigung durch eine Fachbehörde handelt.

a) Der Fall

 

Rz. 60

Die klagende Bundesrepublik Deutschland verlangte von dem beklagten Haftpflichtversicherer Ersatz der Kosten für die Beseitigung einer Ölspur auf dem Standstreifen der Bundesautobahn 5. Ein bei der Beklagten versicherter Lkw befuhr am 2.10.2010 gegen 13.00 Uhr die BAB 5 und verlor auf dem Standstreifen Betriebsstoffe, die eine Ölspur von ca. 1 km Länge und einer Breite zwischen 10 cm und 30 cm verursachten. Die Ölspur wurde an diesem Tag im Nassreinigungsverfahren von dem zertifizierten Reinigungs- und Entsorgungsunternehmen B.-GmbH beseitigt, das von einem Mitarbeiter der zuständigen Straßenmeisterei beauftragt worden war. Die B.-GmbH stellte der Klägerin unter dem 13.10.2010 dafür 1.709,32 EUR in Rechnung, die von der Klägerin auch an die B.-GmbH bezahlt wurden. Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin ihre Einstandspflicht ab.

 

Rz. 61

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.709,32 EUR verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten, deren Gegenstand nur noch die Höhe des Schadensersatzes war, hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 1.059,58 EUR verurteilt worden war; insoweit hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 62

Die Revision war begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht ging zunächst zutreffend davon aus, dass der Klägerin aus eigenem Recht dem Grunde nach Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zustanden.

Aufgrund der Verschmutzung der Bundesautobahn durch Betriebsstoffe, die aus dem bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeug ausgelaufen waren, stand der Klägerin als Eigentümerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 FStrG) ein Anspruch auf Ersatz der zur Reinigung und Wiederherstellung der gefahrlosen Benutzbarkeit der Straße erforderlichen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB zu (vgl. Senatsurt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn 13; – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544 Rn 9, jeweils m.w.N.).

 

Rz. 63

Da die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zurückzuführen sind, besteht Versicherungsschutz nach § 10 Abs. 1 AKB a.F. bzw. A.1.1.1 AKB, sodass auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG begründet war (vgl. Senatsurt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12, a.a.O. Rn 14; – VI ZR 471/12, a.a.O. Rn 10).

 

Rz. 64

Die Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzes nach § 7 Abs. 3 FStrG schließt zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB nicht aus (vgl. Senatsurt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12, a.a.O. Rn 16).

 

Rz. 65

Die gegen die vom Berufungsgericht als begründet erachtete Schadenshöhe geltend gemachten Revisionsangriffe der Klägerin hatten jedoch Erfolg.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Senatsurt. v. 5.3.2013 – VI ZR 245/11, VersR 2013, 730 Rn 14 m.w.N.).

 

Rz. 66

Im Streitfall hatte das Berufungsgericht seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung gemäß § 249 Abs. 1 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Aufgrund der sich aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis hat er die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Die Schadensrestitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen. Ihr Ziel ist vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht.

 

Rz. 67

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet ...

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