Rz. 527

Aus dem Normzweck von § 780 ZPO kann sich ergeben, dass ein Vorbehalt entbehrlich ist. In § 780 Abs. 1 ZPO wird dem Prozessgericht die Möglichkeit eröffnet, die Entscheidung über die Haftungsbeschränkung in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern. So vertritt das OLG Oldenburg[419] die Ansicht, einer Beweisaufnahme bedürfe es zur Klärung der Frage, ob Dürftigkeit des Nachlasses zu bejahen ist, im Erkenntnisverfahren nicht, sie könne in der Zwangsvollstreckung geklärt werden:

Zitat

"Eine grundsätzlich wegen der Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses gem. § 1990 BGB zur Dürftigkeit des Nachlasses in Betracht kommende Beweisaufnahme muß im Erkenntnisverfahren nicht notwendig durchgeführt werden."

Die Frage der effektiven Haftungsbeschränkung bleibt dann offen, in das Urteil wird lediglich der Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO aufgenommen.

 

Rz. 528

Eines Vorbehalts bedarf es aber nicht, wenn das Prozessgericht selbst über die Haftungsbeschränkung entscheidet. In einem solchen Fall ist im Verhältnis unter den Parteien rechtskräftig entschieden, ob die Haftung für die Klageforderung auf den Nachlass beschränkt ist oder nicht. Dafür kommen vier Fälle in Betracht:

 

Rz. 529

(1) Hat das Prozessgericht die vom Erben geltend gemachte Beschränkung der Erbenhaftung geprüft und verneint, so verurteilt es den Erben ohne Vorbehalt.[420] Will der Erbe in einem solchen Falle die beschränkte Erbenhaftung geltend machen, so kann dies nur im Rechtsmittelweg geschehen. Eine Geltendmachung in der Vollstreckung ist nach § 780 ZPO ausgeschlossen.

 

Rz. 530

(2) Hat das Gericht die vom Erben geltend gemachte Haftungsbeschränkung geprüft und bejaht, so weist es die Klage ab, wenn feststeht, dass keine Haftungsmasse mehr vorhanden ist, der Nachlass bspw. erschöpft ist.[421]

 

Rz. 531

(3) Hat das Gericht die vom Erben geltend gemachte Beschränkung der Erbenhaftung geprüft und bejaht, so verurteilt es zur Leistung aus dem Nachlass.[422] Es handelt sich dabei nicht um den bloßen Vorbehalt gem. § 780 Abs. 1 ZPO, sondern es ist diejenige Situation geschaffen, die nach dem von §§ 780, 781, 785 ZPO vorgesehenen regulären Verfahren erst durch eine haftungsbeschränkende Klage nach § 785 ZPO hergestellt werden kann.

Wird aufgrund des auf Leistung aus dem Nachlass lautenden Urteils in einen nicht zum Nachlass gehörenden Gegenstand vollstreckt, so kann der Erbe auf Unzulässigerklärung dieses Zugriffs klagen. Es handelt sich dabei nicht um eine Vollstreckungsgegenklage, sondern um eine Variante der Drittwiderspruchsklage. Für diese Widerspruchsklage des Erben ist bereits rechtskräftig geklärt, dass nur der Nachlass haftet. Es bedarf nur noch einer Entscheidung über die Nichtzugehörigkeit der betreffenden Sache zum Nachlass. Ist ein nicht zum Nachlass gehörender Gegenstand gepfändet, so erklärt das Gericht die Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig.

 

Rz. 532

(4) Steht nicht nur die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, sondern auch die gegenständliche Begrenzung des Nachlasses fest, so kann das gesamte Verfahren des § 785 ZPO vorweggenommen und eine solche Klage entbehrlich gemacht werden, indem der Erbe nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in bestimmte Gegenstände verurteilt wird.

Oder vom BayObLG anders ausgedrückt:[423]

Zitat

"Sind die Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung bereits im Erkenntnisverfahren bejaht worden, ist nur zur Leistung aus dem Nachlass zu verpflichten. Gegen die Vollstreckung in nachlassfremde Gegenstände können sich die Erben dann auf dem einfacheren Wege des § 766 ZPO zur Wehr setzen."

 

Rz. 533

In all diesen Fällen sind die Verfahren nach § 780 ZPO – Verurteilung des Erben – und nach §§ 781, 785 ZPO – Entscheidung über die Haftungsbeschränkung – in einer Entscheidung zusammengefasst: Das Prozessgericht verurteilt den Erben ohne Vorbehalt, oder es verurteilt nur zur Leistung aus dem Nachlass bzw. zur Duldung der Zwangsvollstreckung in konkrete Nachlassgegenstände. Oder es weist die Klage ab, weil nur beschränkt gehaftet wird und der Nachlass erschöpft ist.

 

Rz. 534

In diesen Fällen hat das Gericht mit rechtskräftiger Wirkung nicht nur über die Nachlassverbindlichkeit, sondern – bezogen auf die betreffende Verbindlichkeit – auch über die vom Erben bereits ergriffene Haftungsbeschränkung entschieden. Ist ein Prozess in diesen beiden Punkten zur Entscheidung reif, so dürfte es unter prozessökonomischen Gesichtspunkten die Pflicht des Prozessgerichts sein, auch in diesem umfassenden Sinn zu entscheiden.

[420] RGZ 77, 245.
[421] BGH NJW 1954, 635; BGH NJW 1983, 2378.
[422] RGZ 137, 50, 54 (zu § 419 BGB a.F.).
[423] BayObLG Rpfleger 2000, 67 m. Anm. Münzberg, Rpfleger 2000, 216. So auch OLG Schleswig FGPrax 2011, 69 = SchlHA 2011, 167; a.A. jedoch OLG Koblenz NJW-RR 2006, 377 = ZEV 2006, 469, wonach eine Abklärung der Dürftigkeit im Erkenntnisverfahren nicht zu erfolgen habe.

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