Rz. 7

Sinn und Zweck des Instituts der Vor- und Nacherbschaft ist zum einen die Steuerungsmöglichkeit und Perpetuierung der Vermögensnachfolge über mehrere Erbfälle (Generationen) hinweg unter gleichzeitiger Vermeidung, dass das Vermögen an Personen vererbt wird, die der Erblasser eigentlich von einem erbrechtlichen Erwerb ausschließen möchte (z.B. Schwiegerkinder). Der Erblasser kann so selbst bestimmen, wer nach dem zuerst Bedachten das Vermögen als Nächster erhält, weil es sich im Falle des Ablebens des Vorerben nicht in dessen Nachlass befindet. Man spricht auch von einer zukünftigen Vermögensbindung bzw. von der Möglichkeit einer Familienbindung des Nachlasses (Erbhof-Modell).[9] Zu beachten gilt es bei der Anordnung der Nacherbschaft, dass die im Erbrecht geltende 30-Jahresgrenze nach § 2109 Abs. 1 Nr. 1 BGB keine Anwendung findet, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt. Das Prinzip der dinglichen Surrogation (§ 2111 BGB) sorgt bei der Vor- und Nacherbfolge dafür, dass sich die Nacherbschaft am umstrukturierten Vorerbenvermögen fortsetzt.

 

Rz. 8

Die Anordnung der Vorerbschaft führt zum anderen dazu, dass sich bei dem als Vorerbe bestimmten Erben zwei verschiedene Vermögensgruppen bilden. Zum einen das Eigenvermögen des Vorerben und zum anderen das ererbte Vorerbenvermögen als Sondervermögen.[10] Mit Eintritt des Nacherbfalls ist das Sondervermögen an den oder die Nacherben herauszugeben. Ist als Nacherbfall der Tod des Vorerben bestimmt (§ 2106 Abs. 1 BGB), so vererbt sich das Eigenvermögen des Vorerben an die von ihm benannten Bedachten, während das Sondervermögen an die Nacherben fließt.

 

Hinweis

Problematisch und bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob die Beweislastverteilung hinsichtlich des Eigenvermögens in vollem Umfang der Erbe des Vorerben hinsichtlich dessen Eigenvermögen hat oder ob der Nacherbe die Beweislast hinsichtlich des der Nacherbschaft unterliegenden Vermögens trägt. Damrau sieht eine Lösungsmöglichkeit des Problems nur über die Anwendung des § 254 BGB, indem abgewogen wird, ob der Erbe hinsichtlich der Trennung von Eigen- und Sondervermögen eine größere Mitschuld trägt als der Nacherbe, der es unterlassen hat, seine Auskunftsansprüche etc. geltend zu machen.[11]

 

Rz. 9

Durch die Trennung des Vorerbenvermögens vom Eigenvermögen bietet sich die Vor- und Nacherbschaft zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen naher Verwandter an (zur Formulierung vgl. unten Rdn 75). Haben Eheleute z.B. Kinder aus erster Ehe und will der jeweilige Ehepartner nicht, dass die Kinder des anderen Ehepartners an seinem Nachlass partizipieren, dann können sie anordnen, dass sich die Eheleute jeweils nur zu Vorerben und die Kinder aus der gemeinsamen oder aus der vorangegangenen Ehe als Nacherben einsetzen.[12] Dies gilt gewissermaßen auch für die Pflichtteilsansprüche gemeinsamer Kinder. Im Rahmen der Berechnung des Zugewinnausgleichs wird die Vorerbschaft des Vorerben mit dem Nutzungswert angesetzt.[13]

 

Rz. 10

Darüber hinaus kann durch das Institut der Vor- und Nacherbschaft der Nachlass für eine gewisse Dauer einem Vorerben und dann dem eigentlichen Bedachten zugewandt werden, was sich insbesondere dann anbietet, wenn es darum geht, bestimmte Zeiträume zu überbrücken (z.B. weil die Kinder noch minderjährig sind). Gleichfalls dient die Einsetzung eines Nacherben auch dem Schutz vor dem Zugriff von Gläubigern des Vorerben, da diesem zwar grundsätzlich die Nutzungen, nicht aber die Substanz zustehen. Nach § 2115 BGB ist beim überschuldeten Erben Vollstreckungsschutz insoweit gegeben, als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Falle des Eintritts des Nacherbfalls unwirksam werden, soweit sie die Rechte des Nacherben beeinträchtigen. Das heißt, dass die Nacherbenanordnung nur die Zwangsverwertung, nicht aber die Pfändung des Vorerbenanteils verhindert. Letzteres lässt sich nur vermeiden, wenn der Erblasser gleichzeitig eine Testamentsvollstreckung anordnet (§ 2214 BGB).

[9] Weirich, Rn 597 ff.
[10] Palandt/Weidlich, Einf. § 2100 Rn 2.
[11] Damrau, ZErb 2003, 281.
[12] Vgl. hierzu auch Enzensberger/Maar, Testamente für Geschiedene und Patchworkehen, S. 145 ff.
[13] AG Landshut FamRZ 1998, 1233.

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