Rz. 6

Das Merkmal "gegenseitiges Nachgeben" ist anders als bei Abschluss eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB kein Tatbestandsmerkmal einer Einigung i.S.d. Nrn. 1000 ff. VV RVG. Die jetzigen Ausnahmefälle – nur Anerkenntnis, nur Verzicht – waren damals kein Vergleichsfall, weil nur einseitig nachgegeben wurde (zu der weitherzigen Auslegung des "Nachgebens" in der Rechtsprechung vgl. Rdn 8). Aus dieser Ausnahmeregelung wird geschlossen, dass eben doch ein Nachgeben i.S. eines Entgegenkommens vorliegen müsse, im Gegensatz zu früher aber kein gegenseitiges Nachgeben mehr.[5] Der Wille des Gesetzgebers war aber nicht nur die Förderung des Abschlusses von Einigungen, sondern vor allem auch die Beseitigung von Auslegungsproblemen, die im Zusammenhang mit der Vergleichsgebühr die Rechtsprechung beschäftigt hatten. Es soll die Frage, ob der andere etwas zur Einigung beiträgt und ob das, was er beiträgt, ein "Nachgeben" ist und gar, ob ein "gegenseitiges Nachgeben" vorliegt, nicht mehr gestellt werden müssen. Demgegenüber wird die Frage ganz anders formuliert: Es soll das bloße Anerkenntnis oder der bloße Verzicht lediglich dann gegeben sein, wenn die vertragliche Regelung materiell-rechtlich keine weitergehenden Wirkungen hat, als sie an ein Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil nach den §§ 306, 307 ZPO geknüpft werden. Darüber hinausgehende Vereinbarungen sollen die Einigungsgebühr auslösen.[6] Es soll darauf abgestellt werden, ob die Regelung etwas inhaltlich anderes darstellt, als Anerkenntnis oder Verzicht. Es müsse "etwas Neues geschaffen werden".[7]

 

Rz. 7

Folgt man diesen – überzeugenden – Ausführungen ergibt sich, dass jede Umgestaltung des Vertrags, um den gestritten wird (zitiert wird eine Ratenzahlungsvereinbarung), die Einigungsgebühr auslöst; Leistungen, die gegenüber dem Streitobjekt ein aliud sind, können ebenfalls nicht Gegenstand von Anerkenntnis- oder Verzichtsurteilen sein, lösen also auch die Einigungsgebühr aus.

Eine Einigung i.S.d. Nr. 1000 VV RVG liegt auch dann vor, wenn der Schuldner in vollem Umfang anerkennt (oder der Gläubiger vollständig verzichtet) und die andere Partei nichts zu dieser Einigung beiträgt, der Schuldner bzw. Gläubiger aber mehr tut als nur ein Anerkenntnis oder einen Verzicht abzugeben. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, dass weiterhin beiderseitiges Nachgeben vorliegen müsse. Das ergibt sich aus dem Wort "ausschließlich" in Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG. Wenn z.B. der Unterhaltsschuldner die volle Unterhaltssumme anerkennt, sich darüber hinaus aber verpflichtet, zukünftig mit Dauerauftrag zu bezahlen, oder sich verpflichtet, im Einverständnis mit dem volljährigen Kind den bisherigen Unterhalt wunschgemäß an die Mutter des Kindes zu bezahlen, sind das alles Umstände, die mehr sind als "ausschließlich … ein Anerkenntnis". Die Besorgnis des Gesetzgebers war, dass bereits ein vom Antragsgegner abgegebenes Anerkenntnis oder ein vom Antragsteller erklärter Verzicht die Einigungsgebühr auslösen würde, was nicht erwünscht war. Dem Bestreben wird die Auslegung – inhaltliche Änderung – gerecht.

 

Rz. 8

Selbstverständlich reicht aber nach wie vor jedes – noch so geringfügige – Nachgeben auf der einen oder anderen Seite aus, die Einigungsgebühr zu begründen (wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen).

Auf der Gläubigerseite genügt ein Blick in die Rechtsprechung, um Beispiele zu finden, wann nicht ausschließlich ein Verzicht vorliegt.[8] Alles was die Rechtsprechung im Hinblick auf das Nachgeben des Gläubigers schon entschieden hat, reicht nun, um die Einigungsgebühr zu begründen: Selbstverständlich genügt jedes Nachlassen bei der Forderung, ein Verzicht auf sonstige Ansprüche, ein Entgegenkommen bei Zinsen, die Einräumung von Raten oder die Bewilligung späterer Fälligkeit. Die Voraussetzungen des Vergleichs wurden aber auch dann angenommen, wenn der Schuldner die ganze vom Gläubiger erhobene Forderung anerkannte, die Höhe der Forderung aber nicht so eindeutig fest stand, dass eine Erweiterung des Anspruchs überhaupt nicht in Betracht kam. Dann nämlich hatte der Gläubiger die Möglichkeit, mehr als bisher zu fordern, und sein Nachgeben besteht darin, sich durch den Vergleich zu binden.[9] Das Kammergericht hat einen Vergleich angenommen, als der Beklagte den verlangten Kindesunterhalt voll akzeptierte und eigentlich die Situation für ein Anerkenntnisurteil gegeben gewesen war. Das Nachgeben erblickte das Gericht darin, dass der Kläger nicht auf einer rechtskraftfähigen Entscheidung durch Urteil bestand, sondern einen Vergleich schloss und dadurch auf die Vorteile des § 323 ZPO bei künftigen Abänderungen verzichtete.[10] Der BGH hat es sogar genügen lassen, dass sich die Parteien im Interesse einer schnellen und gütlichen Einigung alsbald ohne längere Auseinandersetzungen auf eine bestimmte Geldsumme geeinigt haben.[11] Der BGH hat ferner die Tatsache, dass der Beklagte einen Vergleich abschloss, statt es mit entsprechender Zeitverzögerung auf ein Urteil ankommen zu lassen, als "Nachgeben" i.S.d.

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