Rz. 175
Soweit es die Aussage über seine Wahrnehmung erleichtert, hat der Zeuge nach § 378 Abs. 1 ZPO Aufzeichnungen und andere Unterlagen einzusehen und zum Termin zur Beweisaufnahme mitzubringen, soweit ihm dies gestattet und zumutbar ist.
Rz. 176
Auf diese Verpflichtung des Zeugen nach § 378 Abs. 1 ZPO sollte der Rechtsanwalt grundsätzlich ausdrücklich hinweisen[91] und auch das Gericht bitten, diesen Hinweis in die Ladungsverfügung mit aufzunehmen. Zu weitergehenden Hilfestellungen ist das Gericht allerdings nicht verpflichtet. Insbesondere besteht keine Pflicht, dem von einer Partei benannten Zeugen, der in Strafhaft einsitzt, den Zugang zu Unterlagen für seine Bekundungen zu ermöglichen.[92]
Rz. 177
Der Hinweis sollte insbesondere dann erfolgen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Zeuge über entsprechende Unterlagen, insbesondere Protokolle über verschiedene Gespräche, Schriftwechsel, inkl. E-Mailverkehr, Vertragsentwürfe o.Ä. verfügt.
Rz. 178
Solche Unterlagen sind regelmäßig geeignet, die Aussage des Zeugen zu konkretisieren, andererseits aber auch, dieser Aussage eine besondere Glaubwürdigkeit beizulegen, wenn die Bekundungen angesichts des Rechtsstreites durch Unterlagen ergänzt und präzisiert werden können, die zu einem Zeitpunkt gefertigt wurden, als der Rechtsstreit nicht absehbar war. In manchen Fällen wird eine Aussage sogar erst durch solche Unterlagen glaubwürdig, etwa wenn der Zeuge täglich eine Vielzahl gleichartiger Telefongespräche führt und nach Wochen oder Monaten dann zum konkreten Inhalt eines ganz besonderen Gespräches befragt wird. Die Aussage, "das mache ich immer so" hat kaum praktischen Wert, während die Bezugnahme auf einen Gesprächsvermerk nachvollziehbar macht, woher der Zeuge seine Erinnerung nimmt.
Rz. 179
Tipp
Stellt sich erst in der Beweisaufnahme heraus, dass der Zeuge über entsprechende Unterlagen und Aufzeichnungen verfügt, ohne dass dies dem Mandanten oder dem Bevollmächtigten bekannt war, weil etwa zuvor mit dem Zeugen nicht gesprochen wurde, so sollte der Bevollmächtigte hierauf in der Weise reagieren, dass mit dem Zeugen "vereinbart" wird, dass dieser die Unterlagen noch zur Gerichtsakte reicht.
Zugleich sollte das Gericht gebeten werden, den Parteien nach Vorlage der Unterlagen eine weitere Stellungnahmefrist einzuräumen. Sodann mag auf dieser Grundlage entweder das Gericht entscheiden oder aber die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO wieder eröffnen.
Der Bevollmächtigte kann auch beantragen, dass der Rechtsstreit vertagt wird und der Zeuge mit einer Anordnung nach § 378 ZPO erneut geladen wird.
Rz. 180
Beachtet werden muss allerdings, dass der Zeuge grundsätzlich nicht verpflichtet ist, seine Aufzeichnungen und Unterlagen den Parteien zur Verfügung zu stellen. Eine entsprechende Vorlageverpflichtung kann sich nur unter den Voraussetzungen der § 142 oder § 429 ZPO ergeben.
Rz. 181
Tipp
Handelt es sich bei dem Zeugen allerdings um einen Mitarbeiter des Prozessgegners und handelt es sich bei den Unterlagen um Urkunden, die sich im Geschäftsbetrieb des Gegners befinden, so kann der Beweisführer auch nach § 421 ZPO beantragen, dem Gegner aufzugeben, die Urkunden vorzulegen.
Rz. 182
Ungeachtet dessen kann das Gericht nach § 142 ZPO anordnen, dass der Zeuge als Dritter eine in seinem Besitz befindliche Urkunde oder sonstige Unterlagen, auf die sich eine der Prozessparteien bezogen hat, vorlegt.
Rz. 183
Der Zeuge ist zur Vorlegung allerdings nur insoweit verpflichtet, wie ihm die Vorlage zumutbar ist und er nicht zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383–385 ZPO berechtigt ist und insoweit von seinem Zeugnisverweigerungsrecht als Vorlageverweigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.
Rz. 184
Kommt der Zeuge seiner Verpflichtung nach § 378 Abs. 1 ZPO nicht nach, Aufzeichnungen und andere Unterlagen einzusehen und zu dem Termin mitzubringen, obwohl ihm dies zumutbar ist, so kann das Gericht gegen den Zeugen nach § 390 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, auch Ordnungshaft festsetzen.
Rz. 185
Kommt der Zeuge auch dann seiner entsprechenden Verpflichtung nicht nach, so kann nach § 390 Abs. 2 ZPO Ordnungshaft angeordnet werden. Erforderlich für die Ergreifung dieser Ordnungsmittel ist nach § 378 Abs. 2 ZPO allerdings, dass der Zeuge zuvor auf diese Folgen hingewiesen wurde.
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