Rz. 4

Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder deren Gesellschaften können Dritten, die keine Mandanten des Rechtsberaters sind und aus dessen Vertrag mit dem Auftraggeber kein Recht herleiten können, auf vertraglicher Grundlage haften, wenn solche Dritte im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer tatsächlich fehlerhaften Auskunft geschädigt werden.

I. Auskunftsvertrag als Rechtsgrundlage

 

Rz. 5

Die Rechtsprechung stützt die Auskunftshaftung – in Ausfüllung des Vorbehalts des § 675 Abs. 2 BGB – i.d.R. auf ein "Vertragsverhältnis" zwischen Geber und Empfänger der Auskunft.

 

Rz. 6

Das RG hatte zuletzt für die Auskunftshaftung nicht mehr darauf abgestellt, ob Geber und Empfänger der Auskunft Vertragsbeziehungen herstellen wollten, sondern hatte es genügen lassen, dass sie miteinander Verbindung aufgenommen hatten und dies nach der bürgerlichen Rechtsordnung als vertraglich anzusehen war.[8] Diese Rechtsprechung unterstellte bei "sozialtypischem Verhalten" einen Auskunftsvertrag auch dann, wenn ein Vertragswille fehlte.

 

Rz. 7

Der BGH, der sich ursprünglich dieser Rechtsprechung angeschlossen hatte,[9] stützt die Auskunftshaftung inzwischen auf einen übereinstimmenden Vertragswillen der Beteiligten. Danach kommt ein Auskunftsvertrag zustande, wenn der Geber einer Auskunft ggü. deren Empfänger – außerhalb einer anderen Vertragsbeziehung – ausdrücklich oder – dies ist der Hauptfall – durch schlüssiges Verhalten ("stillschweigend, konkludent") die Vertragspflicht übernimmt, eine bestimmte Auskunft zu erteilen.[10] Ein solcher Auskunftsvertrag kann ein unentgeltlicher Auftragsvertrag (§ 662 BGB) oder ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) sein. Die Vereinbarung einer Vergütung ist also keine notwendige Voraussetzung eines Auskunftsvertrages.[11]

 

Rz. 8

Der Rechtsprechung, eine Auskunftshaftung – in Ausfüllung des Vorbehalts des § 675 Abs. 2 BGB – regelmäßig mit einem Vertrag zu begründen, werden im Schrifttum andere Modelle für eine solche Haftung gegenübergestellt; diese reichen von einer modifizierten vertraglichen Auskunftshaftung kraft beruflicher Stellung über eine vertragslose Selbstbindung und eine berufliche Vertrauenshaftung unabhängig vom Bestand eines Vertrages bis zu einer verstärkten deliktsrechtlichen Auskunftshaftung.[12] Inzwischen wird die neue Vorschrift des § 311 Abs. 3 BGB als Rechtsgrundlage für eine Auskunftshaftung empfohlen (vgl. § 10 Rdn 2, § 13 Rdn 5).[13]

 

Rz. 9

Ein Garantievertrag kommt bei Rat und Auskunft selten in Betracht.[14] Er setzt die Verpflichtung voraus, über die allgemeine Vertragshaftung hinaus uneingeschränkt – auch ohne eigenes Verschulden – für die Richtigkeit der Erklärungen zu haften.[15] Dafür müssen eindeutige Anhaltspunkte vorliegen.[16]

[8] RG, JW 1928, 1134, 1135; RG, JW 1933, 510 und RG, JW 1933, 2701, jeweils Rechtsanwalt betreffend.
[9] Vgl. BGHZ 7, 371, 375 = NJW 1953, 60.
[10] BGH, NJW 1972, 678, 680; BGH, NJW 1973, 321, 323; BGH, NJW 1992, 2080, 2082; BGH, NJW 2004, 3630, 3632; BGH, WM 2003, 669, 672.
[11] BGHZ 100, 117, 119 = NJW 1987, 1815.
[12] Zusammenfassend Hirte, S. 386 ff.; Honsell, in: FS Medicus, S. 211, 221 f.; vgl. Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, § 32 Rn 14 ff.
[13] Koch, AcP 204 (2004), 59 ff., 69 ff.
[14] Musielak, S. 15 f.
[15] BGH, WM 1960, 879, 881; vgl. BGHZ 116, 209, 214 = WM 1992, 133 = NJW 1992, 555; BGH, WM 1995, 941, 942 = NJW-RR 1995, 619.
[16] Vgl. OLG Frankfurt, NJW 2007, 1467; OLG Düsseldorf, GI aktuell 2008, 81, Tz. 90 bis 94, jeweils Rechtsanwalt.

II. "Stillschweigend" geschlossener Auskunftsvertrag

 

Rz. 10

Schließt jemand einen Auskunftsvertrag bewusst, kennt er das Haftungsrisiko. Diese Kenntnis fehlt dem Auskunftgeber i.d.R., wenn er aus der maßgeblichen Sicht des Auskunftempfängers durch schlüssiges Verhalten einen solchen Vertrag eingeht.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann der "stillschweigende" Abschluss eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft anzunehmen sein, wenn diese für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und dieser sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. Dies gilt insb. in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt; solche Umstände sind jedoch nur Indizien, die in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des Einzelfalles einzubeziehen sind. Entscheidend für den Abschluss eines Auskunftsvertrages durch schlüssiges Verhalten ist es, ob die Gesamtumstände des konkreten Falles mit Rücksicht auf Verkehrsanschauung und -bedürfnis den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen – jeweils aus der Sicht des anderen – die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben.[17]

Weitere Anhaltspunkte für einen solchen Vertragsschluss können – außer der Sachkunde und/oder einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Auskunftgebers – sein:

Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme,[18]
das Versprechen, Angaben des Geschäftspartners des Auskunftempfängers zu prüfe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge