Rz. 49

Die Familienstiftung ist keine besondere Form der Stiftung, sondern letztendlich eine Anwendungsvariante der Stiftung bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 80ff. BGB[97] und nach h.M. zulässig.[98] Mitunter wird sie gar als "Prototyp der privaten Stiftung" bezeichnet, obwohl ihre Spezifizierung im Einzelnen umso schwerer fällt.[99] Eine einheitliche Begriffsdefinition oder gar ein festes Institut "Familienstiftung" ist nicht vorhanden. Dabei wird die Familienstiftung in den einzelnen Landesstiftungsgesetzen[100] und im Steuerrecht[101] durchaus erwähnt.[102] Bemerkenswert ist, dass die einzelnen Begriffsbestimmungen der Landesstiftungsgesetze Anlehnung finden an die Definition des preußischen Stiftungsrechts aus Art. 1 § 1 Abs. 1 pr. AGBGB vom 2.9.1899,[103] wonach unter einer Familienstiftung eine Stiftung verstanden wird, "die nach der Stiftungsurkunde ausschließlich dem Interesse der Mitglieder einer bestimmten Familie oder mehrerer bestimmter Familien dient (Familienstiftung)."

 

Rz. 50

Gleichwohl gibt es keine einheitliche Begriffsdefinition. Allen Definitionen ist jedoch gemein, dass sie die Familienstiftung darüber definieren, dass in irgendeiner Art und Weise bestimmte Familien begünstigt werden.[104] Die Familienstiftung wird daher als eine Stiftung erfasst, die zumindest überwiegend dem Interesse einer oder mehrerer bestimmter Familien gewidmet ist.[105] Der Begriff der Familie umfasst hier alle durch Ehe oder Verwandtschaft im Sinne des BGB (§ 1589 BGB) verbundenen Personen.[106] Dabei muss der familiäre Ursprung der Destinatäre mit dem Kreis der Familienangehörigen nicht identisch sein. Es obliegt vielmehr dem Stifter, ob der Stiftungsnutzen nur einzelnen Familienmitgliedern zukommen soll oder ob er nicht zur Familie gehörende Personen in den Kreis der Destinatäre einbeziehen möchte.[107] Im letzten Fall ist jedoch für das Vorliegen einer Familienstiftung eine überwiegende[108] Familienbindung bei den Leistungen durch die Stiftung vonnöten. Die Leistung selber wird jedoch meistens den materiellen Interessen der begünstigten Familienmitglieder gewidmet sein. Der Nutzen kann dann zum einen voraussetzungslos gewährt werden oder zum anderen durch die Berechtigung von sachlichen Voraussetzungen, wie z.B. Bedürftigkeit oder Studium, abhängig gemacht werden.[109]

 

Rz. 51

Als Besonderheit ist weiter zu beachten, dass nach den jeweiligen Landesstiftungsgesetzen die Familienstiftung von der staatlichen Stiftungsaufsicht teilweise oder ganz befreit ist.[110] Der Grund wird in der körperschaftsähnlichen Struktur der Familienstiftung gesehen.[111] Einer Aufsicht bedürfe es nicht, da diese zum einen einer unangemessenen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Familie (Art. 6 GG) gleichkäme und zum anderen bereits eine ausreichende Kontrolle durch die widerstreitenden Interessen der Familienangehörigen gewährleistet sei.[112] Zudem bestehe kein besonderes öffentliches Interesse. Dem ist jedoch entgegenzutreten. Letztendlich wirkt die Stiftungsaufsicht dem Fehlen einer funktionsfähigen Kontrolle durch das Eigeninteresse natürlicher Personen entgegen.[113] Einem "Ausplündern" der Stiftung durch Stiftungsorgane oder Dritte kann so begegnet werden.[114] Insoweit dürfte bei einer Abwägung zwischen dem Interesse der Familienangehörigen, für die Stiftungsarbeit und -verwaltung maßgebliche Familieninterna nicht vor der Stiftungsaufsicht offenbaren zu müssen und dem Integritätsinteresse der Stiftung, sprich, dem Interesse an der Überwachung der Einhaltung und Erfüllung des Stifterwillens das Integritätsinteresse der Stiftung überwiegen und damit die Überwachung von Familienstiftungen durch die Stiftungsaufsicht rechtfertigen. Der Schutz der Stiftung selbst ist im Funktionszweck der Stiftungsaufsicht mitumfasst. Das Argument des fehlenden öffentlichen Interesses greift daher zu kurz.

[97] Muscheler, Stiftungsrecht, S. 317; v. Campenhausen/Richter/Pöllath/Richter, § 13 Rn 1; beachtenswert dabei die Anzahl von Familienstiftungen, die laut Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, Abschnitt H II 1 S. 45, Anlage 9, im Jahre 2000 nicht sonderlich hoch war, namentlich 535; vgl. des weiteren Muscheler, Stiftungsrecht, S. 321, unter dem Punkt "Statistik", der für die folgenden Jahre 2001–2003 die Anzahl auf 679 Familienstiftungen berechnet, was einen Anteil an der Gesamtzahl der in Deutschland ansässigen Stiftungen bürgerlichen Rechts von 6 % ausmacht.
[98] Ihre uneingeschränkte Zulässigkeit wird teilweise in Abrede gestellt, so MüKo/Reuter, 6. Auflage, § 81 Rn 96 ff., vgl. hierzu den zwischenzeitlichen Meinungsstand bei Staudinger/Hüttemann/Rawert vor §§ 80–88 Rn 264 ff., sowie die umfassende Stellungnahme von Gantenbrink, Diss., S. 61 ff. und die Zusammenfassung von Schuck, Diss., S. 113 ff.
[99] Staudinger/Hüttemann/Rawert, vor §§ 80–88 Rn 178; BeckOK-BGB/Backert, § 80 Rn 14.
[100] So findet die Familienstiftung in § 3 Abs. 2 StiftGRP und § 2 Abs. 1 StiftGHbg Erwähnung, hingegen eine Begriffsbestimmung erfolgt...

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