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Eine vergleichbare Interessenkollision kann sich auch bei der gemeinsamen Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter ergeben. Auch hier werden die Pflichtteilsberechtigten im Grundsatz zunächst ein einvernehmliches Vorgehen gegen die Erben anstreben. Allerdings kann das Bestehen möglicher Ausgleichspflichten (§ 2316 BGB), die Berücksichtigung von anrechenbaren Vorempfängen bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs (§ 2315 BGB) oder des Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§§ 2325 ff. BGB) zu einem Interessenwiderstreit führen. Der Rechtsanwalt sollte die Pflichtteilsberechtigten darauf hinweisen, dass die Möglichkeit einer Interessenkollision besteht, und ggfs. mit nur einem Pflichtteilsberechtigten einen Geschäftsbesorgungsvertrag abschließen. Ein Interessenwiderstreit besteht, wenn der Rechtsanwalt auf der einen Seite Pflichtteilsberechtigte und auf der anderen Seite einen Nachlassschuldner vertritt.[48] Hingegen besteht nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe ein Interessenwiderstreit nicht, wenn ein Rechtsanwalt, der den Erblasser bei der Errichtung seines Testaments beraten hat, nach dem Erbfall dessen pflichtteilsberechtigte zweite Ehefrau gegen dessen Alleinerbin bei der Durchsetzung ihres Vermächtnis- bzw. Pflichtteilsanspruchs vertritt.[49] Ebenfalls wird der Interessenwiderstreit verneint, wenn ein Rechtsanwalt für den Pflichtteilsberechtigten und den Alleinerben die in ihrem Miteigentum stehende Immobilien veräußert und ihre gemeinsamen Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand klärt, da hier die Interessen beider Mandanten gleichgerichtet sind.[50] Letzteres dürfte aber im Einzelfall zu prüfen sein, da beim Verkauf einer Immobilie häufig gegenläufige Interessen bestehen.

[49] OLG Karlsruhe ZEV 2014, 378, 380 m.Anm. Grunewald.

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