Rz. 10

Auch Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter als Parteien kraft Amtes bzw. gesetzliche Vertreter, sprich auch gesetzliche Betreuer (§§ 1896 ff. BGB)[20] sind keine Dritten. Zumindest für einen Vorsorgebevollmächtigten kann letztlich nichts anderes gelten.

Die Zulässigkeit einer (gesetzlichen und gewillkürten) Stellvertretung ergibt sich schon aus allgemeinen Regeln: Aufgrund des Repräsentationsprinzips und der Wirkung der Stellvertretung unmittelbar für und gegen den Vertretenen handelt hier letztlich kein Dritter.

 

Rz. 11

Eine Stellvertretung ist grundsätzlich möglich und nur ausnahmsweise dann unzulässig, wenn es sich um höchstpersönliche Geschäfte handelt.[21] Solche sind hauptsächlich im Erb- und Familienrecht anzutreffen.[22] Aber selbst dort beschränkt das Gesetz einen generellen Ausschluss der Stellvertretung auf absolut höchstpersönliche Entscheidungen wie die Eheschließung oder das Testieren. Bei anderen ausdrücklich höchstpersönlichen Geschäften, wie z.B. einem Erbverzicht (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB), ist im Falle der Geschäftsunfähigkeit des Verzichtenden zumindest eine gesetzliche Vertretung möglich (§ 2347 Abs. 2 S. 2 BGB), um eine generelle Handlungsunfähigkeit zu verhindern. Man wird das rechtsgeschäftliche Handeln i.R.v. digitalen Geschäften kaum mit einer Eheschließung oder einer Testamentserrichtung vergleichen können. Daher muss jedenfalls eine gesetzliche Stellvertretung durch Betreuer, Vormund oder Eltern für den Fall der Geschäftsunfähigkeit möglich sein; alles andere hieße auch für die Anbieter im Falle der Geschäftsunfähigkeit keinen Ansprechpartner zu haben. Diese Art der Stellvertretung wird durch einen Staatsakt gerade deshalb vermittelt,[23] um eine Handlungsfähigkeit (zum Schutz des Rechtsverkehrs und des Vertretenen) wiederherzustellen. Dies wird kaum durch Nutzungsbedingungen der Anbieter zunichte gemacht werden können. Ähnlich ist dies bei organschaftlicher Vertretung, die gerade zwingend ist, um die Handlungsfähigkeit juristischer Personen sicherzustellen; niemand würde wohl eine organschaftliche Vertretung einer Gesellschaft i.R.v. digitalen Rechtsgeschäften für unzulässig halten.

 

Rz. 12

Zumindest eine Stellvertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten muss aber der durch einen gesetzlichen Betreuer gleichgestellt sein.[24] Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Wenn die Bevollmächtigung der Betreuerbestellung vorgeht, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb das für den digitalen Bereich anders ein sollte. Die Regelungen der §§ 1901a Abs. 6, 1901b Abs. 3 BGB verstärken diesen Befund. Wenn die Bevollmächtigung sogar in einem so höchstpersönlichen und essentiellen Bereich wie dem von lebensverlängernden oder -erhaltenden Maßnahmen greift, so muss das erst Recht im Bereich des digitalen Nachlasses gelten.

 

Rz. 13

Zuzugestehen ist, dass es eine gewillkürte Höchstpersönlichkeit, sprich einen Ausschluss der Stellvertretung durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung gibt.[25] Eine solche Vereinbarung dürfte eine AGB-Klausel, die die Weitergabe der Zugangsdaten verbietet, aber schon gar nicht darstellen, da solche Klauseln sicherstellen sollen, dass die Sicherheit des Kontos nicht gefährdet wird.[26] Eine verantwortungsvolle Nachfolgeplanung garantiert aber eher die Sicherheit des Kontos, als dass sie sie gefährdet. Die Klausel dürfte sich (von Wortlaut und Ratio her) kaum auf eine Stellvertretung beziehen. Außerdem unterliegt der Ausschluss der Stellvertretung in AGB der Inhalts- und Transparenzkontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.[27] Nach oben Gesagtem wäre aber zumindest in einem generellen Ausschluss der Stellvertretung ein Leitbildverstoß nach § 307 BGB zu sehen. Aber auch hier hilft ein Vergleich mit dem Bankenrecht. Auch dort sehen die Nutzungsbindungen einer Kundenkarte vor, dass eine Weitergabe der Geheimzahl an Dritte nicht zulässig ist.[28] Gleichwohl ist die Zulässigkeit von Stellvertretung unbestritten.

[20] So für den Betreuer auch Gloser, DNotZ 2015, 4, 17.
[21] MüKo-BGB/Schubert, § 164 Rn 98.
[22] BeckOK/Schäfer, § 164 BGB Rn 4.
[23] Staudinger/Schilken, Vorbem. §§ 164 ff. BGB Rn 24.
[24] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189; zweifelnd Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125, 127.
[26] Siehe z.B. Nr. 4 der Nutzungsbedingungen von Facebook: "Registrierung und Kontosicherheit […] 8. Du wirst dein Passwort (oder deinen geheimen Schlüssel, wenn du ein Entwickler bist) nicht weitergeben, keine andere Person auf dein Konto zugreifen lassen oder keine anderweitigen Handlungen durchführen, die die Sicherheit deines Kontos gefährden können. 9. Du wirst dein Konto (einschließlich jedwede von dir verwaltete Seite oder App) an niemanden übertragen, ohne vorher unsere schriftliche Erlaubnis einzuholen.“, https://de-de.facebook.com/legal/terms."
[27] MüKo-BGB/Schubert, § 164 Rn 101.
[28] So z.B. https://www.sparkasse-...

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