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Nicht jede Kontaktaufnahme mit einem Architekten führt zu einer entgeltlichen Tätigkeit. Die Parteien stehen vor einer längeren Zusammenarbeit. Der Bauherr will ggf. wissen, auf welchen Stil er sich einlässt; der Architekt tritt nicht selten unangesprochen an einen Bauherrn heran, um mit Plänen für ein bestimmtes Grundstück für seine Leistung zu werben. Darüber hinaus beschäftigt zunehmend eine bestimmte Fallkonstellation die Gerichte: Ein privater Investor überlegt, ob er ein Grundstück in einer bestimmten Art und Weise baulich nutzen kann. Häufig gehört ihm dieses Grundstück noch nicht einmal. Die baurechtliche Situation ist ungewiss. Ungeklärt ist auch noch die finanzielle Machbarkeit. Ohne Vorplanung kann er jedoch weder das Baurecht austesten, noch hat er eine konkrete Vorstellung über den finanziellen Bedarf. In einer derart unsicheren Situation möchte er naturgemäß keine größeren Mittel für einen Architekten investieren. Dieser häufig unausgesprochenen Interessenlage steht der Wunsch des Planers nach einem verbindlichen Auftrag gegenüber. Klare Absprachen werden nicht oder nur unter vier Augen getroffen und sind im Streitfall nicht beweisbar. Stellt sich dann irgendwann heraus, dass das Projekt, in das schon viel Zeit investiert wurde, mangels ausreichender Mittel doch nicht finanziert werden kann, möchte der Planer nicht mit einem unverbindlichen Händedruck verabschiedet werden. Er präsentiert auf der Basis der Mindestsätze der HOAI seine Rechnung, die vom Investor mit dem Schlagwort der Akquisitionsleistung zurückgewiesen wird.

 

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Diese Fallkonstellation ist auch nach Wegfall der Mindestsätze aktuell, da sich die Frage, ob vergütungspflichtige Leistungen beauftragt wurden, nach dem BGB und nicht nach der HOAI richtet. Die Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung "den Umständen nach" nur gegen Vergütung zu erwarten ist (§ 632 Abs. 1 BGB). In der Rechtsprechung haben sich jedoch mit der Zeit Regeln herausgeschält, die weiterhelfen.

Zunächst muss der Architekt darlegen und beweisen, welcher Umfang an Tätigkeit ihm in Auftrag gegeben worden ist.[108] Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die übertragenen Aufgaben nach den Umständen nur gegen Vergütung erbracht werden. Wird dies bejaht, ist es am Investor zu beweisen, dass man sich auf eine unentgeltliche Tätigkeit geeinigt hat.[109]

Dieses einfache Prüfungsmuster bietet in der Praxis viele Tücken. Nicht alles das, was der Architekt auch tatsächlich geleistet hat, ist "auftragsgemäß" erbracht worden. Der Bauherr wird einwenden, es seien Pläne gefertigt und Tätigkeiten entfaltet worden, die er gar nicht haben wollte. Das bloße Wollen von Leistungen und deren schlichte Entgegennahme führen jedoch noch nicht zu einem Vertragsschluss.[110] Der Architekt muss also, wenn er die Beauftragung nicht nachweisen kann, belegen, dass der Bauherr sich der von ihm erbrachten Leistung bediente, indem er sie bspw. zur Grundlage eines Behördengesprächs, eines Finanzierungsantrages[111] usw. machte.

Ab wann üblicherweise eine Vergütung erwartet wird, ist nicht klar und verbindlich abgrenzbar.[112] Es werden verschiedene Indizien herangezogen:

Ist die Ansprache seitens des Architekten oder seitens des Investors erfolgt?
Ist die Planung bereits in ein konkretes Stadium eingetreten?
Handelt es sich um ein Großprojekt, bei dem wegen der Größe des Auftrags ein Mehr an Akquisition erwartet werden kann?
Ist schon eine Abschlagsrechnung gestellt und ggf. bedient worden?

Wird die entfaltete und beauftragte Tätigkeit üblicherweise gegen Vergütung erbracht, werden häufig seitens des Investors alle möglichen Zeugen bemüht, eine Unentgeltlichkeitsvereinbarung zu belegen. Diese Prozessrisiken können durch rechtzeitige Absprache ausgeschlossen werden.

Schon vor dem EuGH-Urteil vom 4.7.2019 konnten die Parteien einen Verzicht auf Honorar oder eine Bedingung, unter der der Honoraranspruch steht, vereinbaren.[113] Offen ist danach aber, wie die Vergütung berechnet wird, da auf die Vermutung der Mindestsatzgeltung (§ 7 Abs. 5 HOAI) nach dem EuGH-Urteil vom 4.7.2019 nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Das OLG Celle[114] meint jedenfalls, die HOAI-Mindestsätze träfen keine Aussage über die Höhe der üblichen Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB.

Sollte eine Vereinbarung gescheut werden, kann der Investor auch einseitig ein Zeichen setzen. Er kann bei Beginn der Tätigkeit ein Schreiben an den Planer richten, in dem er die Bedingung der Zusammenarbeit darlegt. Lässt sich der Architekt hierauf ein, hat er das schriftliche Angebot auf eine unentgeltliche Akquisitionsleistung konkludent angenommen.

[108] BGH BauR 1999, 1319; OLG Hamm ZfBR 2001, 329; OLG Düsseldorf BauR 2012, 119.
[109] Vgl. BGH BauR 1999, 1319; OLG Naumburg BauR 2011, 1707.
[110] Vgl. BGH NJW 1997, 1982.
[111] Zwingend ist dies aber nicht, wenn der Investor erst einmal die grundsätzliche Finanzierbarkeit testen will (OLG Celle BauR 2010, 926, 298).
[112] "Die Abgrenzung zwischen unentgeltlicher Akquisi...

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