Rz. 30

Nach der Rechtsprechung des BGH vom 3.3.2007[34] zur Anrechnung der "Geschäftsgebühr" auf die Verfahrensgebühr ist die nach Einführung des RVG aufkommende kontrovers geführte Diskussion zunächst beendet worden, auch wenn mit dieser Rechtsprechung zwar dem Wortlaut in VV Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG Rechnung getragen wurde, aber letztlich damit die volle Geschäftsgebühr gesondert im Klagewege geltend zu machen ist, da diese nicht im Kostenfestsetzungeverfahren nach §§ 103, 104 ZPO berücksichtigt werden konnte. Im Gegenzug war im Kostenfestsetzungsverfahren dann lediglich die geminderte Verfahrensgebühr nach VV 2300 RVG berücksichtigt worden. Mit der Einführung des § 15a RVG wurde nunmehr eine Klärung dahingehend herbeigeführt, dass zwar grundsätzlich beide Gebühren anfallen, der Rechtsanwalt allerdings nicht mehr verlangen kann, als beide Gebühren abzüglich des Anrechnungsbetrages, § 15a Abs. 1 RVG. Der Rechtsanwalt kann wählen, welche Gebühr er anrechnet.[35] Ferner ergibt sich aus § 15a Abs. 2 RVG, das sich ein Dritter grundsätzlich nicht auf eine Anrechnung berufen kann. Die obsiegende Partei kann daher im Kostenfestsetzungsverfahren die volle Verfahrensgebühr unbeschadet einer evtl. entstandenen Geschäftsgebühr verlangen, ohne dass die unterlegene Partei einwenden kann, dass auf Seiten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden wäre und sich daher durch Anrechnung die Verfahrensgebühr vermindere.[36]

 

Rz. 31

Letztlich erfordert die derzeitige Rechtslage wohl umso mehr den Mandanten über die Kostenfolgen zu informieren, insbesondere wenn sich der Gegner zum Zeitpunkt der Beauftragung noch nicht in Verzug befindet. Wie sieht dies regelmäßig z.B. im Pflichtteilsverfahren aus? Häufig ist der Gegner noch nicht im Verzug, zumal die Aufforderung zur Auskunft und Zahlung erst durch den Anwalt erfolgt. Hätte er sich in Verzug befunden, so kann/muss der Rechtsanwalt auf jeden Fall auch die Kosten der Geschäftsgebühr einklagen, zumal sich nach der derzeitigen Rechtslage die Verfahrensgebühr nach VV 2300 RVG noch um den anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr gemindert wird und daher selbst bei vollständigem Obsiegen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die gesamte Verfahrensgebühr festgesetzt wird. Der Rechtsanwalt muss zumindest den Mandanten diesbezüglich aufklären. Ein Einklagen kann ggf. auch nicht sinnvoll sein, wenn man bedenkt, dass wegen § 14 RVG ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer eingeholt werden muss, wenn die Höhe der Geschäftsgebühr (also insbesondere in den Fällen einer höheren Gebühr als 1,3) streitig ist. Dies führt nämlich zu erheblichen Zeitverzögerungen, die der Mandant u.U. nicht in Kauf nehmen will. Über all diese Umstände ist m.E. der Mandant zu informieren.

Muss der Rechtsanwalt den Mandanten wieder nach Hause schicken und ihm erklären, dass der Gegner nur dann in Verzug gerät, wenn er z.B. eine Frist vom Mandanten fruchtlos verstreichen lässt?

M.E. muss diese Frage bejaht werden.

 

Rz. 32

Allgemein[37] anerkannt ist, dass den Rechtsanwalt ohne ausdrückliche Nachfrage des Mandanten selbst keine Belehrungspflicht über die entstehenden Rechtsanwaltsgebühren oder Gerichtskosten trifft. Eine Ausnahme besteht jedoch in den Fällen eines besonders hohen Kostenrisikos[38] oder aber, wenn die Erfolgsaussichten einer Klage sehr gering sind.[39]

Fragt allerdings der Mandant ausdrücklich nach, so ist der Rechtsanwalt selbstverständlich zur richtigen Auskunft verpflichtet, er muss jedoch nur die ungefähren Kosten angeben. Ungefragt ist der Rechtsanwalt lediglich dann verpflichtet von sich aus den Mandanten zu informieren, wenn sich der Mandant offensichtlich nicht über die Kostenfrage im Klaren ist oder unrichtige Vorstellungen hierüber hat und dies kundgetan hat.

Des Weiteren muss der Rechtsanwalt immer dann seinen Mandanten über die Kostenrisiken aufklären, wenn ein bestimmtes Vorgehen dessen Kostenrisiko erhöht.[40]

 

Rz. 33

 

Hinweis

Den Rechtsanwalt trifft immer eine Pflicht, den Mandanten vor Vermögenseinbußen zu schützen. Er ist zwar nicht zur Einschlagung des billigsten Weges, wohl aber zur Einschlagung des sichersten Weges verpflichtet. Aus beiden Grundsätzen kann gefolgert werden, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten darauf aufmerksam machen muss, dass dieser die Kosten für eine Geschäftsgebühr nur dann voll ersetzt erhält, wenn der Gegner sich in Verzug befindet.

Der Mandant ist sich diesbezüglich überhaupt nicht im Klaren, insbesondere dann nicht, wenn er nur die alte Rechtslage vor dem RVG kennt.

Demgemäß ist der Mandant auf diese neuen Umstände vorsorglich hinzuweisen.

Allerdings ist dann der billigere Weg einzuschlagen, wenn der identische Erfolg hierdurch erzielt werden kann. So macht es keinen Sinn, ein Erbscheinsverfahren einzuleiten, wenn ein Erbschein durch ein vorliegendes notarielles Testament nebst Eröffnungsprotokoll quasi unnötig ist, um an Bankguthaben zu gelangen.[41]

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