A. Einführung

I. Status quo

 

Rz. 1

Das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts, ob in Kooperation (Sozietät, Partnerschaft, interprofessionelle Kooperation usw.) oder als Einzelkämpfer, hat nach wie vor einen besonderen Stellenwert, und zwar zunehmend auch für mittelständische Kanzleien unter internationalen Gesichtspunkten. Die Haftungsrechtsprechung scheint, der zunehmenden Komplexität der rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa folgend, dem Schutz des Verbrauchers – mit weiter Interpretation – zunehmend Rechnung zu tragen. "Gefährdungshaftung" scheint zum Leitbild erhoben. Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 280 BGB vor Jahren ein deutliches "Signal" gegeben, indem er die Beweislast zum Verschulden offenbar nun dem Rechtsanwalt auferlegt.

Die Schadenersatzforderungen übersteigen heute schon in größerer Zahl deutlich die gesetzlich vorgeschriebene Mindestdeckungssumme. Eine Mindestdeckungssumme von 250.000 EUR – aus dem Jahre 1994 – ist heute nicht mehr zeitgemäß.

Die Einführung der Möglichkeit zur vertraglichen Haftungsbegrenzung gem. § 52 BRAO (seinerzeit: 51 a BRAO) bzw. das vom Berufsstand entwickelte System der konsequenten Qualifizierung einschließlich der Einführung der Fachanwaltschaften scheint sich in den wenigen bekannten Zahlen (noch) nicht wieder zu spiegeln.

Um den wirtschaftlichen Folgen der persönlichen Haftung aus der Zusammenarbeit mit Angehörigen der sozietätsfähigen Berufe Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber bereits Mitte der neunziger Jahre die Partnerschaftsgesellschaft als Alternative zur Sozietät (GbR) und zur GmbH geschaffen. Diese Rechtsform hat sich im Markt über die letzten 10 Jahre kaum durchgesetzt, nicht zuletzt auch, weil der angestrebte "Schutz" nicht dem gewünschten Ziel entsprach.

Mit Wirkung vom 19.7.2013 hat der Gesetzgeber die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) geschaffen, um damit den Berufsträgern eine "passende" Alternative zur englischen Limited Liability Partnership (LLP)[1] zu bieten, diese allerdings nach wie vor mit zahlreichen ungeklärten Fragestellungen (siehe hierzu Rdn 107 ff.).

[1] Für diese Rechtsform hatten sich bereits zahlreiche Großkanzleien entschieden.

II. Markt/Versicherer

 

Rz. 2

Im nationalen Markt stehen im Vergleich zur Allgemeinen Haftpflichtversicherung insgesamt relativ wenige Anbieter von Berufs-Haftpflichtversicherungen für Rechtsanwälte zur Verfügung. Die Anbieter lassen sich in die sog. "Etablierten" – mit vergleichsweise hohen, aber zunehmend schrumpfenden Marktanteilen – und neuere, meist internationale Versicherer einteilen. Letztere verfügen zum Teil langjährig über internationale Erfahrungen, was mit Blick auf die zunehmende Internationalisierung der Berufsausübung und der damit einhergehenden Haftungsrisiken vorteilhaft sein kann. Diese Versicherer bieten grundsätzlich den gleichen Deckungsumfang auf Basis marktüblicher Bedingungen und Qualitätsstandards.

 

Rz. 3

Berufs-Haftpflichtversicherungen für Rechtsanwälte bieten die meisten Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer, beginnend bei "A" wie Allianz Versicherung AG über "M" wie MSIG Insurance Europe AG bis hin zu "Z" wie Zurich Versicherung. Deckung für interprofessionelle Kanzleien von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern – ausschließlich bei einem Versicherer – wird angeboten von HDI-Gerling, Gothaer, R+V, Nürnberger, MSIG Insurance Europe AG, ­Liberty, usw. Diese Aufzählungen sind lediglich exemplarisch.

In Anbetracht des zunehmenden Wunsches insbesondere der mittelgroßen und großen Kanzleien nach höheren Deckungssummen bis zu 250 oder 300 Mio. EUR müssen sich die Berufsangehörigen wie im industriellen oder großen D&O-Geschäft auch zwingend mit der Frage auseinandersetzen, ob eine solche Deckung nicht besser über ein "Programm" mit einer Mehrzahl von Versicherern zusammengestellt werden sollte, um nicht ausschließlich von einem oder wenigen Versicherer/n abhängig zu sein.

Der Vorteil einer Programmlösung liegt überdies darin, dass der Berufsträger/die Kanzlei auch weiterhin mit "seinem/ihrem" langjährigen Versicherer als sog. Führenden zusammen arbeiten kann, dieser also auch die Regulierung von Schäden für alle am Programm beteiligten Versicherer in der Hand hat.[2]

Dies gilt im Übrigen auch bereits für geringere als die zuvor genannten Deckungssummen, z.B. von 50 oder 70 Mio. EUR.

[2] Es ist heute bereits so, dass die Ablehnung der Zeichnung eines "Großrisikos" (z.B. 200 Mio. EUR) durch einen mit hoher Kapazität ausgestatteten Versicherer ggf. zum sog. Deckungsnotstand führt oder anders herum, zu einer zunehmenden Abhängigkeit.

III. Versicherungspflicht

 

Rz. 4

Gemäß § 51 BRAO muss jeder Rechtsanwalt gegen die sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren (angemessen) versichert sein. Die näheren Einzelheiten der Mindestdeckung sind in § 51 Abs. 15 BRAO abschließend geregelt. Eine Zulassung als Anwalt kann ohne Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung gem. § 51 BRAO ebenso wenig erfolgen (§ 12 Abs. 2 BRAO) wie eine Fortführung der Tätigkeit ohne entsprechenden Versicherungsschutz (§ 14 Abs. 2 Nr...

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