1. Versicherungssumme und Serienschaden

 

Rz. 190

Eines der wesentlichen Elemente des Versicherungsvertrages ist die Versicherungssumme.

Die Versicherungssumme stellt den Höchstbetrag der Leistungen dar, die der Versicherer im jeweiligen Schadenfall zu erbringen hat (§ 3 III Ziff. 2 AVB); nur Kosten und evtl. Prozesszinsen werden vom Versicherer über die Versicherungssumme hinaus noch ersetzt. Die Versicherungssumme steht dem Versicherungsnehmer üblicherweise zweifach pro Jahr zur Verfügung; nur im Bereich der Mindest-Pflichtversicherung von 250.000 EUR beträgt die Jahreshöchstleistung des Versicherers das Vierfache der Versicherungssumme (§ 51 Abs. 4 BRAO).

Die Vereinbarung einer vierfachen Jahreshöchstleistung bedeutet aber keine Verdopplung der Versicherungssumme für den einzelnen Schadenfall, sondern besagt, dass diese Summe für vier Schadenfälle (mit jeweils bis maximal 250.000 EUR) pro Jahr zur Verfügung steht.

 

Rz. 191

Über die gesetzliche Vorgabe gem. § 51 Abs. 2 BRAO hinaus beinhalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen drei verschiedene Klauseln für den sog. Serienschaden. Diese stellen klar, dass es sich bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht um mehrere Versicherungsfälle handelt, sondern lediglich ein Versicherungsfall vorliegt, für den auch nur einmal die vereinbarte Deckungssumme (pro Versicherungsfall) zur Verfügung steht.

Die Serienschadenklauseln der anwaltlichen Berufs-Haftpflichtversicherung bzw. derjenigen der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind bis dato sehr selten Gegenstand von Publikationen oder gerichtlicher Verfahren gewesen.[467] Allerdings hat der BGH die Wirksamkeit der entsprechenden Serienschadenklauseln für die Haftpflichtversicherung von Finanzdienstleistern unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zumindest dem Grunde nach bestätigt.[468]

Ein Serienschaden liegt im Sinne des § 51 BRAO vor, wenn sich der Versicherungsschutz auf mehrere entschädigungspflichtige Personen erstreckt (Anwaltssozietät), d.h. der Anspruch des Mandanten/Geschädigten gegen alle Sozien (Gesamtschuld) ist lediglich ein Versicherungsfall, und nicht etwa – bei z.B. vier gesamtschuldnerisch Anwaltssozien – vier Versicherungsfälle. Die evtl. vorhandenen Deckungssummen der einzelnen gesamtschuldnerisch Haftenden werden nicht aufaddiert. Die sog. "Sozienklausel" schließt diese Möglichkeit ebenfalls aus, wenn es dort heißt, dass der Schadenfall eines Sozius Schadenfall aller Sozien ist und im jeweiligen Schadenfall eine sog. Durchschnittsversicherungssumme zu bilden ist (§ 12 AVB, siehe unten Rdn 207).

Ein Serienschaden liegt auch vor bezüglich eines aus mehreren Verstößen stammenden einheitlichen Schadens (Fristversäumnis und mangelnder Wiedereinsetzungsantrag, bei gleichzeitigen, fehlerhaften Parallelursachen im Rahmen der rechtlichen Beratungstätigkeit), die in einem Gesamtschaden sich vereinigen.

Es handelt sich um die Fiktion eines einzigen Versicherungsfalls, den man zunächst – wegen der klaren Trennung der Mandate – für den Fall ausschließen kann, dass mehrere Mandanten betroffen sind. Es mag besondere Fallkonstellationen geben, in denen diese Klausel durchgreift, z.B in Fällen, in denen die Anspruchsteller den Anwalt aufgrund mehrerer Fehler im Rahmen eines Prüfungs- oder Gutachtenauftrags[469] wegen der bei ihnen jeweils eingetretenen Schäden in Regress nehmen (§ 311 Abs. 3 S. 1 BGB, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus § 826 BGB oder evtl. Prospekthaftung).

Im Rahmen der erforderlichen Auslegung dieser Klausel sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

ein Auftrag, im Zweifel auch ein Dauermandat,
Schaden über mehrere Jahre verteilt,
(bei Steuerschäden) verschiedene Steuerarten.
 

Rz. 192

Die dritte Serienschadenvariante, wonach sämtliche Pflichtverletzungen bei Erledigung eines einheitlichen Auftrags, mögen diese auf dem Verhalten des Rechtsanwalts oder einer von ihm herangezogenen Hilfsperson beruhen, verursacht in der Praxis die meisten Schwierigkeiten. Der Begriff des einheitlichen Auftrags ist nicht näher definiert. Er ist auslegungsbedürftig und dem Inhalt des Mandats anhand der tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhänge zu entnehmen. Ergeben sich immer noch Abgrenzungsschwierigkeiten, kann der für die Honorarberechnung maßgebende Auftragsgegenstand maßgeblich sein. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Serienschaden­problematik existiert nur in geringem Umfang.[470] In der interprofessionellen Kanzlei wird die ­Serienschadenthematik durch divergierende Serienschadenklauseln der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer noch genauer zu betrachten sein.

Unter Verbraucherschutzgesichtspunkten ist von einer Tendenz zur Annahme von Einzelschäden auszugehen, um möglichst viele Anspruchssteller in den Genuss der Versicherungsleistung kommen zu lassen oder dem einzelnen Anspruchsteller eine möglichst weit reichende Deckung zur Verfügung zu stellen.

 

Praxistipp

Um der Gefahr einer unzureichenden Deckungssumme durch die Fiktion eines Serienschadens wirksam zu begegnen, bleibt nur die Entscheidung für eine in jedem Fa...

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