Rz. 38

 

Hinweise

Das Europäische Nachlasszeugnis entfaltet seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten – auch zum Zweck des Erbnachweises bei öffentlichen Registern, ohne dass es dazu eines besonderen Verfahrens bedarf, Art. 69 Abs. 1, Abs. 5 EuErbVO.

Beim Europäischen Nachlasszeugnis wird nicht mehr unterschieden nach Ausfertigung und Abschrift; es werden nur noch Abschriften erteilt, Art. 70 EuErbVO.

aa) Berechtigtes Interesse für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift

 

Rz. 39

Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) ist in beglaubigter Abschrift vorzulegen; sie hat Richtigkeitsvermutung und Rechtsschein gem. Art. 69 EuErbVO. Nach Art. 70 EuErbVO reicht ein berechtigtes Interesse für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift eines ENZ. Die Schwelle ist also niedriger (berechtigtes Interesse) als für die Erteilung einer Ausfertigung eines Erbscheins (rechtliches Interesse, § 357 Abs. 2 FamFG).

 

Rz. 40

Im Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO sind das Grundbuchamt ebenso wie die Rechtsmittelinstanzen hinsichtlich der Eintragung des Erben als Eigentümer und die damit verbundene Eintragung eines Nacherben an das die Eintragungsgrundlage für eine Grundbuchberichtigung aufgrund eines Erbfalls bildende ENZ gebunden.[33]

[33] OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.1.2010 – 20 W 251/09, FGPrax 2010, 175 (zu der parallelen Situation beim Erbschein).

bb) Zweck

 

Rz. 41

Eine zügige Abwicklung einer Nachlasssache mit Auslandsbezug innerhalb der Mitgliedstaaten soll dadurch gefördert werden, dass Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachweisen können, EG 67.

cc) Zuständigkeit

 

Rz. 42

International zuständig für die Ausstellung des ENZ über den gesamten Nachlass sind in erster Linie die Behörden in dem Mitgliedstaat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte (Art. 64 Abs. 1 S. 1 EuErbVO). Bei der ausstellenden Behörde kann es sich um ein Gericht oder eine andere Behörde handeln. Der Begriff des Gerichts ist weit zu verstehen und erfasst alle Angehörige eines Rechtsberufs, die Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten (Art. 3 Abs. 2 EuErbVO), insbesondere Notare, die in den meisten Mitgliedstaaten – teilweise ausschließlich – für die Ausstellung des Erbnachweises zuständig sind.

 

Rz. 43

Sollte sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers nicht in einem Mitgliedstaat befunden haben, sind für den gesamten Nachlass zunächst die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, deren Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Todeszeitpunkt besaß (Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO) oder – subsidiär – in dem der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, sofern die Aufenthaltsänderung nicht länger als 5 Jahre zurückliegt (lit. b). Nur wenn keine dieser Zuständigkeiten greift, sind die Gerichte eines Mitgliedstaats hinsichtlich des im betroffenen Mitgliedstaat belegenen Nachlasses international zuständig, § 343 Abs. 3 FamFG. Letztere Zuständigkeit bleibt auch im Verhältnis zu Art. 4 EuErbVO für die Erteilung eines deutschen Erbscheins bestehen, wonach eigentlich für den gesamten Nachlass international die Gerichte zuständig sind, in deren Hoheitsgebiet der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.[34]

Zuständigkeit des Nachlassgerichts; kein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts bei einer geschäftsunfähigen Person

OLG München, Beschl. v. 22.3.2017:[35]

Zitat

"Verliert der Erblasser seine natürliche Einsichtsfähigkeit, kann er den gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr wechseln. Da der Aufenthalt etwas Tatsächliches ist, ist eine gesetzliche Vertretung des Erblassers im Zusammenhang mit der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zulässig; denn andernfalls könnte ggfs. ein Betreuer das anzuwendende Erbrecht bestimmen."

 

Hinweis

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung sollte schon bei der Anordnung der Betreuung geprüft werden, inwieweit der Betreuer berechtigt ist, den Aufenthalt des Betroffenen zu bestimmen.

[34] EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 (Oberle), ErbR 2018, 503 = FamRZ 2018, 1262 = NJW 2018, 2309 = ZErb 2018, 238 = ZEV 2018, 465 m. Anm. Zimmermann.
[35] OLG München ErbR 2017, 356 = FamRZ 2017, 1251 = ZEV 2017, 333 m. Anm. Rentsch, ZEV 2017, 334.

dd) Erteilung beglaubigter Abschriften

 

Rz. 44

Dem Antragsteller wird – anders als im deutschen Erbscheinsverfahren – nur eine beglaubigte Abschrift des ENZ ausgehändigt; die Urschrift verwahrt dagegen die Ausstellungsbehörde (Art. 70 Abs. 1 EuErbVO). Darüber hinaus verlangt Art. 70 Abs. 2 EuErbVO, dass die ausstellende Behörde über alle Empfänger einer beglaubigten Abschrift ein Verzeichnis führt. Aus Gründen des Verkehrsschutzes hat die Ausstellungsbehörde den Beglaubigungsvermerk mit einem "Verfallsdatum" (6 Monate nach Ausstellung) zu versehen, mit dessen Ablauf die beglaubigte Abschrift ihre Gültigkeit verliert (Art. 70 Abs. 3 S. 1 EuErbVO).

 

Rz. 45

Der Nachweis der Bewilligungsbefugnis eines Erben kann durch ein ENZ nur durch Vorlage einer von der Ausstellungsbehörde ausgestellten beglaubigten Abschrift des Zeugnisses geführt werden, deren Gültigkeitsfrist...

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