Rz. 31

Das Nachlassgericht ist in der Auswahl der Sicherungsmittel frei, die in § 1960 Abs. 2 BGB getroffene Aufzählung ist nicht abschließend. Wichtigste Mittel zur Sicherung des Nachlasses sind:

die Anlegung von Siegeln
die amtliche Inverwahrnahme von einzelnen Nachlassgegenständen, beispielsweise von Schmuck, Bargeld oder Wertpapieren
die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
die Anordnung der Nachlasspflegschaft.

1. Anlegung von Siegeln

 

Rz. 32

Die Anordnung der Versiegelung von Räumen oder Behältnissen ist Aufgabe des Nachlassgerichts, während die Ausführung der Siegelung selbst der Nachlassrichter einem anderen Organ übertragen kann. Maßgebend dafür ist das Landesrecht auf der Grundlage von Art. 140 EGBGB. Bundesrechtliche Vorschriften über das Verfahren bei der Anlegung von Siegeln gibt es nicht.

 

Rz. 33

Wird die Anlegung von Siegeln behindert, so kann sie erforderlichenfalls mit den Gewaltmitteln des § 35 FamFG erzwungen und durchgesetzt werden. Der Sicherungszweck verlangt ein rasches Handeln, so dass notfalls auch zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen eine Siegelung vorzunehmen ist.

 

Rz. 34

Sowohl über die Siegelung als auch über die Entsiegelung ist jeweils ein Protokoll aufzunehmen.

Aber: Ohne gesonderte richterliche Anordnung kann bei der Versiegelung von Räumen nicht in die Besitzrechte Dritter eingegriffen werden (Mitmieter oder Zutritt über fremde Räume).

2. Die amtliche Inverwahrungnahme

 

Rz. 35

Eine amtliche Inverwahrungnahme kann in mehrfacher Hinsicht in Betracht kommen: Bei der Siegelung des Nachlasses werden Geld, Kostbarkeiten o.Ä. vorgefunden: Solche Gegenstände sind, falls das Nachlassgericht nichts anderes anordnet, von dem Beamten, der die Siegelung vornimmt, zu verzeichnen und in die amtliche Aufbewahrung zu verbringen. Ausnahmsweise können die Gegenstände mit Zustimmung der anwesenden Beteiligten an dem bisherigen Verwahrungsort belassen werden, wenn sie unter sicheren Verschluss gebracht werden können.

Solche Gegenstände werden beim Nachlassgericht abgeliefert. Die Ablieferung kann erforderlichenfalls durch Zwangsmaßnahmen nach § 35 FamFG erzwungen werden.

 

Rz. 36

Die allgemein anerkannte Befugnis des Nachlassgerichts, den Beteiligten für die Fortführung des Haushalts, des Geschäfts- und Wirtschaftsbetriebs sowie zur Erfüllung dringender Nachlassverbindlichkeiten, vor allem zur Bestreitung der Beerdigungskosten, eine bestimmte Geldsumme gegen ein schriftliches Empfangsbekenntnis zu überlassen mit der Verpflichtung, später mit den Erben darüber abzurechnen, ist für die Praxis von besonderer Bedeutung (vgl. dazu den früheren § 11 Abs. 2 der Bayerischen Nachlassordnung).

 

Rz. 37

Bei kleineren Beträgen kann der mit der Sicherung Beauftragte selbstständig handeln, bei größeren Beträgen empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Anordnung des Nachlassgerichts herbeizuführen.

Soweit zum Teil das Nachlassgericht darüber hinausgehend als befugt angesehen wird, auch Geldinstitute anzuweisen, vom Konto des Verstorbenen Geldbeträge an bestimmte Personen auszuzahlen,[10] so ist dem entgegenzutreten. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine entsprechende Berechtigung ergeben soll. Soweit zum Teil auf §§ 1962, 1960 Abs. 2, 1846 BGB zurückgegriffen wird, gilt es darauf hinzuweisen, dass § 1846 BGB einen Vormund bzw. Nachlasspfleger nicht ersetzen soll und darüber hinaus lediglich auf Eilfälle beschränkt ist. Zudem wird verkannt, dass die Auszahlung an Dritte, z.B. an ein Beerdigungsinstitut, kein Sicherungsmittel darstellt und im Übrigen nicht im Interesse der Erben, sondern im Interesse des Dritten bzw. des Gläubigers liegt.[11] Mögliche Einwendungen des Nachlasses gegen die Forderung bleiben dabei unberücksichtigt. Insbesondere besteht bei dieser Art der "praktischen" Abwicklung eines Nachlasses ohne Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch die Gefahr, dass hierdurch eine Benachteiligung anderer Gläubiger erfolgt, deren Rechte im Rahmen eines durch einen Nachlasspfleger ggfs. zu beantragenden Nachlassinsolvenzverfahrens gewahrt worden wären. Dies wiederum könnte eine Schadensersatzpflicht gem. § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB begründen.

 

Rz. 38

Das Argument, dass auf diese Weise bei geringfügigen Nachlässen von oft langwierigen Erbenermittlungen Abstand genommen werden kann und die Ausstellung eines Erbscheins, auf dessen Vorlage die Bankinstitute im Allgemeinen bestehen, damit entbehrlich werde, überzeugt nicht. Ein Nachlasspfleger wäre in der Lage, zunächst den Nachlass vollständig zu erfassen und eine Prüfung im Hinblick auf die Werthaltigkeit vorzunehmen. Sofern er eine Überschuldung feststellen würde, wäre durch ihn ein Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen oder mit allen Gläubigern eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Einer Erbenermittlung bedürfte es in diesem Fall nicht mehr. Wäre der Nachlass jedoch werthaltig, so würde durch die Auszahlungsanweisung des Nachlassgerichtes weder eine Erbenermittlung noch die Beantragung eines Erbscheins entbehrlich.

 

Rz. 39

Als weitere Sicherungsmaßnahme kommt auch eine Kontensperrung in Betracht.

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