Rz. 94

§ 174 Abs. 1 ZPO hat den Kreis der Personen, denen per Empfangsbekenntnis ein Schriftstück zugestellt werden kann, über § 212a ZPO a.F. hinaus deutlich erweitert. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist nun gegenüber folgenden Personen möglich:

einem Rechtsanwalt,
einem Notar,
einem Gerichtsvollzieher,
einer Behörde,
einem Steuerberater,
einer sonstigen Person, bei der aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann,
Anstalten des öffentlichen Rechts.
 

Rz. 95

 

Hinweis

Zu den Personen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer besonderen Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, werden nach hiesiger Auffassung insbesondere

Sachverständige,
vereidigte Wirtschafts- und Buchprüfer,
Patentanwälte oder auch Rechtsbeistände,
registrierte Inkassodienstleister nach § 10 RDG

zu zählen sein. Da es auf den Beruf ankommt, ist die persönliche Zuverlässigkeit irrelevant. Auch Versicherungsgesellschaften und Banken könnten hierzu gezählt werden. Dies ist allerdings umstritten.[64]

 

Rz. 96

Da das Gesetz ausdrücklich auf die Zuverlässigkeit aufgrund des Berufes abstellt, ist es generell nicht möglich, an Privatpersonen ein Schriftstück gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen.[65]

 

Rz. 97

Die Zustellung des Schriftstückes gegen Empfangsbekenntnis erfolgt mit der Aufforderung, den Empfang des Schriftstückes mit dem Datum des Eingangs und der Unterschrift zu bestätigen.

 

Rz. 98

 

Hinweis

Es gehört zu den Berufspflichten des Adressaten bzw. Empfängers, das Empfangsbekenntnis ohne schuldhaftes Zögern ordnungsgemäß ausgefüllt zurückzusenden. Zeigt sich der Adressat oder Empfänger hier als unzuverlässig, ist das Gericht berechtigt und gehalten, zukünftig mittels einer Zustellungsurkunde zuzustellen, was mit einer entsprechenden Kostenlast verbunden ist.

 

Rz. 99

Ein bestimmter Vordruck ist hierbei nicht vorgeschrieben, auch wenn die Gerichte regelmäßig ein vorbereitetes Formular mitsenden. Der Rechtsanwalt kann die notwendige Bestätigung aber auch in einem Schriftsatz abgeben,[66] etwa wenn der übersandte Vordruck verloren gegangen ist oder sonst nicht mehr verwandt werden kann. Zustellungstag ist bei einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht der Tag, an dem das zuzustellende Schriftstück im Büro des Zustellungsadressaten eingeht oder an dem er das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, sondern der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übersandten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat.[67] Das ausgefüllte Empfangsbekenntnis erbringt vollen Beweis der Zustellung des Schriftstücks.[68] Der Beweis, dass das auf dem Empfangsbekenntnis notierte Datum unrichtig ist und das Schriftstück tatsächlich erst später zur Kenntnis genommen wurde, ist grundsätzlich zulässig.[69] Allerdings stellt die Rechtsprechung an diesen Nachweis strenge Anforderungen.[70] Die bloße Erklärung des Rechtsanwalts, man habe das zuzustellende Schriftstück nicht erhalten, entkräftet die Beweiswirkung des von ihm unterzeichneten Empfangsbekenntnisses nicht.[71]

 

Rz. 100

Wesentlich ist, dass das Empfangsbekenntnis – gleich in welcher Form – nachweist, wann das Schriftstück angenommen wurde. Ein ohne diese Datumsangabe versehenes Empfangsbekenntnis ist unwirksam,[72] d.h. eine wirksame Zustellung ist nicht erfolgt. Fehlt es an einem Datum neben der Unterschrift, ist jedoch das Empfangsbekenntnis mit einem Eingangsstempel des Adressaten versehen, so gilt das Datum des Eingangsstempels als Zustellungszeit.[73]

 

Rz. 101

Das Empfangsbekenntnis darf nur vom Rechtsanwalt selbst unterzeichnet werden, nicht von einem Mitarbeiter.[74] Ein Faksimile-Stempel[75] macht die Zustellung grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes ergibt sich aber beim elektronischen Rechtsverkehr gemäß § 174 Abs. 4 S. 3 ZPO n.F.

 

Rz. 102

 

Hinweis

Das Empfangsbekenntnis dient nicht nur dem Nachweis der Zustellung, sondern dokumentiert zugleich den Willen des Empfängers, das Schriftstück auch tatsächlich annehmen zu wollen.

Bei der Zustellung an eine Sozietät ist jeder Sozius empfangsberechtigt.[76]

 

Rz. 103

Wesentlich zu beachten ist für den Rechtsanwalt die mit der Annahme des Schriftstückes verbundene Fristenerfassung. Der Rechtsanwalt muss vor der Unterzeichnung dafür Sorge tragen, dass die Zustellungszeit und der damit begründete Beginn einer Frist auf dem zuzustellenden Schriftstück und in der Handakte vermerkt werden. Zugleich muss er durch entsprechende Anordnungen sicherstellen, dass die Frist in den Fristenkalender übertragen und dies erneut kontrolliert wird.[77]

 

Rz. 104

Mit der Formulierung in § 174 Abs. 1 S. 2 ZPO wollte der Gesetzgeber klarstellen,[78] dass der Rechtsanwalt keinen Anspruch darauf hat, ein für die Rücksendung bereits frankiertes Empfangsbekenntnis zu erhalten. Das Empfangsbekenntnis ist also grundsätzlich auf Kosten des Adressaten zurückzusenden.[79]

 

Rz. 105

 

Tipp

Die diesbezügliche grundsätzliche Überbürdung der Kostenlast der Rücksendung von Empfangsbekenntnissen kann der Rechtsanwalt dadurc...

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