Rz. 31

Ein materiell-rechtliches Problem ergibt sich, wenn Angehörige eines im Westen lebenden Erblassers vor der Wiedervereinigung einen Pflichtteilsverzicht erklärt hatten, ohne das in der DDR belegene bzw. enteignete Vermögen zu berücksichtigen. Kommt es zur Restitution erheblicher Vermögenswerte, kann man wohl in den meisten Fällen von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ausgehen.[52] Zu dieser können auch die Wertvorstellungen bezüglich des vom Verzicht erfassten Vermögens gehören. Dies hat das OLG Hamm[53] betont. In dem entschiedenen Fall war 1986 ein entgeltlicher Erbverzicht abgeschlossen worden. Nach Auffassung des Gerichts war die Geschäftsgrundlage mangels entgegenstehender Vereinbarung die Annahme, dass das Grundvermögen für den im Westen lebenden Erblasser und seine ebenfalls dort lebenden Erben faktisch wertlos und auf Dauer dem Zugriff der Eigentümer entzogen war. Infolge der Wiederverfügbarkeit der Nachlassgrundstücke in der DDR aufgrund der Wiedervereinigung ist diese Geschäftsgrundlage des Abfindungsvertrages entfallen. Ist dem Verzichtenden ein Festhalten an dem Verzichts- und Abfindungsvertrag nicht zuzumuten, so ist dieser daher mit der Folge anzupassen, dass der Verzichtende einen angemessenen Geldausgleich verlangen und einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend machen kann.

 

Rz. 32

Diese Frage erfasst nicht die Vererbung von DDR-Grundstücken, wenn Erbverzicht und Erbfall nach dem 1.1.1976 und vor dem 3.10.1990 stattgefunden haben. In diesem Fall wäre der Verzicht für diesen Nachlassteil aufgrund der eintretenden Nachlassspaltung nach dem ZGB-DDR ohnehin nichtig (siehe Rdn 10).

[52] So de Leve, Erbrecht, S. 140 ff.; OLG Hamburg DtZ 1993, 28.
[53] OLG Hamm ZEV 2000, 507 m. Anm. Kuchinke.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge