I. Verstoß wegen der Nutzung sozialer Netzwerke

 

Rz. 34

Der Arbeitnehmer kann sich vertragswidrig verhalten, wenn er soziale Netzwerke am Arbeitsplatz entgegen einem Verbot nutzt oder sich nicht an die Vorgaben des Arbeitgebers hält. Das Verbot der Privatnutzung kann der Arbeitgeber ohne Mitbestimmung des Betriebsrats aussprechen. Nur wenn die Gestattung unter Bedingungen erfolgt, greift das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Vertragsverletzungen sind aber auch dann denkbar, wenn die private Nutzung ohne ausdrückliche Gestattung praktisch geduldet wird, das Entstehen einer betrieblichen Übung wird hier (noch) mehrheitlich abgelehnt.[45] Jedenfalls unzulässig ist die exzessive Privatnutzung des Internets, die nach der Rechtsprechung u.a. dann anzunehmen sein kann, wenn die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht, sondern stattdessen während der Arbeitszeit das Internet in nicht unerheblichem Umfang privat genutzt wird. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist hier recht restriktiv und lässt schon vergleichsweise kurze Nutzungszeiten während der Arbeitszeit als wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB ausreichen[46] (zu den näheren Einzelheiten der Sanktionsmöglichkeiten bei der unzulässigen Nutzung von Internet und E-Mail siehe § 1 Rdn 65 ff.).

[45] ErfK ArbR/Preis, § 611a BGB Rn 222 m.w.N.
[46] Vgl. z.B. BAG 7.7.2005 – 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98 (ca. 1 Stunde und 45 Minuten verteilt auf 2 Tage).

II. Verstoß bei der Nutzung sozialer Netzwerke: Außerdienstliches Verhalten

1. Loyalitätspflicht

a) Rufschädigung

 

Rz. 35

Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitnehmers, wie er seine Freizeit gestaltet. Grenzen finden seine außerdienstlichen Aktivitäten jedoch dort, wo berechtigte Interessen des Arbeitgebers berührt werden. Denn der Arbeitnehmer hat aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht angemessen Rücksicht zu nehmen und die Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm billigerweise nach Treu und Glauben verlangt werden kann, § 241 Abs. 2 BGB. Ob die außerdienstliche Nutzung von sozialen Netzwerken die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers verletzt, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Stets setzen Einschränkungen auf der Grundlage einer Rücksichtnahmepflicht aber voraus, dass ein Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben ist.

 

Beispiel

Ein Angestellter im Polizeidienst, der mit der Bewachung einer jüdischen Schule beauftragt ist, postet auf Facebook ein Foto eines (unechten) Totenkopfes, dem eine Polizeimütze aufgesetzt ist. Auf dem Foto ist im Hintergrund lediglich der Straßenbereich des Schutzobjekts zu erkennen.[47]

 

Rz. 36

Der Arbeitgeber kann in diesem Beispiel keine arbeitsrechtlichen Sanktionen an das Verhalten seines Mitarbeiters knüpfen. Auch wenn den Angestellten im Polizeidienst gesteigerte Loyalitätspflichten treffen und durch die Polizeimütze ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird, besteht nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg kein Bezug zum Nationalsozialismus. Eine politische Aussage sei durch das Foto nicht erkennbar. Dass das Foto vor der jüdischen Schule entstanden ist, sei nur für Eingeweihte ersichtlich.[48]

[47] Beispiel nachgebildet: ArbG Hamburg 18.9.2013 – 27 Ca 207/13, juris.
[48] ArbG Hamburg 18.9.2013 – 27 Ca 207/13.

b) Unternehmensschädliche Äußerungen

 

Rz. 37

Der Arbeitnehmer hat alle Äußerungen zu unterlassen, die einem berechtigten Interesse des Unternehmens zuwiderlaufen, sofern die Meinungsäußerungsfreiheit hierdurch nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Die Grundrechtsbetroffenheit des Arbeitnehmers ist in jedem einzelnen Fall gegen die Unternehmerinteressen abzuwägen.[49] Dabei gewährt Art. 5 GG einen weitgehenden Schutz.

 

Beispiel

Der zwischenzeitlich ausgeschiedene Abteilungsleiter A veröffentlicht im Internet unter der Seite www.megadownloads.net sogenannte Blogs. Hierbei handelte es sich um eigens von dem A erstellte Kommentare. Im Rahmen der Blogs verwendet der A Begriffe wie "Abzock-Methoden", "Nutzlos-Branche", "Deutsche Zentrale der Abzock-Mafia" in Bezug auf seinen früheren Arbeitgeber und ­formuliert: "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff." Der ehemalige Arbeitgeber verlangt die ­Löschung der Negativäußerungen und Unterlassung.

 

Rz. 38

Die Äußerungen des A sind insgesamt als Werturteile anzusehen, die von dem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind. A ist der Meinung, die Branche seines früheren Arbeitgebers sei nutzlos und die ihm vermeintlich bekannten Strukturen glichen denen der Abzock-Mafia. Auch wenn seine Formulierungen sicher polemisch und verletzend sind, sind sie dem Schutz des Art. 5 GG nicht entzogen. Da mit den "Ratten" die Mitarbeiter angesprochen sind, kann der Arbeitgeber sich auch gegen diese Äußerung nicht mit Erfolg wehren.[50]

Das LAG Baden-Württemberg sah auch einen Blogbeitrag, in dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber "eine verschärfte Ausbeutung, Angriffe auf politische und gewerkschaftliche Rechte sowie menschenverachtende Jagd auf Kranke" vorwarf, als von der Meinungsfreiheit umfasst an.[51]

Der VGH München hatte sich mit der behördlichen Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung in der Schwangerschaft zu befassen. Die Mitarbeiterin war für ihren Arbeitgeber bei ein...

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