Rz. 65

Missbraucht der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellten Kommunikationseinrichtungen so ist hierin regelmäßig eine (Neben-)Pflichtverletzung zu sehen und es stellt sich die Frage nach Handlungsmöglichkeiten. Vorrangig kommen die üblichen arbeitsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen in Betracht, also Abmahnung, ordentliche oder außerordentliche Kündigung. Möglich sind aber auch Alternativen in Form einer bloßen Ermahnung/Rüge, einer Versetzung des Arbeitnehmers, einer Sperrung des Internetzugangs oder auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die Art der Reaktion hängt dabei von dem Umfang des Verstoßes ab und auch von der Form der erlaubten bzw. unerlaubten Nutzung. Je unklarer die betriebliche Regelung ausgestaltet ist, desto weniger Sanktionen stehen dem Arbeitgeber zur Verfügung. Welche Möglichkeiten der Arbeitgeber im Einzelnen bei welcher Form der Nutzung ergreifen kann, wird in diesem Kapitel ausführlich dargestellt. Dabei gelten die dargestellten Grundsätze regelmäßig für alle Nutzungsformen, also Internet, E-Mail und Intranet.

 

Rz. 66

Die Praxis zeigt, dass die Interessenlagen nicht unterschiedlicher sein könnten. Angesichts des Dauerzustands der Vernetzung und der Arbeit an mit dem Internet verbundenen Endgeräten fehlt den Arbeitnehmern häufig das Unrechtsbewusstsein, wenn sie die ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel auch für private Erledigungen oder privates Surfen einsetzen. Umgekehrt ist auf Arbeitgeberseite regelmäßig bei einer unerlaubten Nutzung das Interesse an einer sofortigen Reaktion besonders hoch. Nicht selten wird in solchen Fällen unmittelbar das schärfste Schwert des arbeitgeberseitigen Handlungsinstrumentariums, die außerordentliche Kündigung, zumindest in Betracht gezogen. Diesen Konflikt gilt es daher zu lösen. Die ersten Urteile haben sich noch an der arbeitsrechtlichen Judikatur zu unzulässig geführten Privattelefonaten orientiert.[85] Zwischenzeitlich hat sich jedoch eine eigenständige Rechtsprechung herausgebildet, so dass es dieses Rückgriffs nicht mehr bedarf (vgl. unten Rdn 123 ff.). So hat sich das Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Grundsatzentscheidungen ausführlich mit der Problematik der unzulässigen Internetnutzung befasst und spezielle Beurteilungsgrundsätze für die Praxis aufgestellt.[86] Es ist festzustellen, dass die zulässigen Sanktionen sehr stark einzelfallgeprägt sind, was eine sichere Prognose über die Erfolgsaussichten einer Kündigung erheblich erschwert. Dennoch eröffnen die BAG-Urteile Leitlinien, an denen man sich orientieren kann.

 

Rz. 67

Auch hinsichtlich der Vornahme von Sanktionen bei unzulässiger Nutzung von Internet und E-Mail gilt der allgemeine Grundsatz, dass es im Bereich steuerbaren Verhaltens vor einer Kündigung regelmäßig einer Abmahnung bedarf. Das BAG hat in seinen Grundsatzentscheidungen sehr klar definiert, in welchen Fällen ausnahmsweise eine vorhergehende Abmahnung entbehrlich ist. Entsprechende Ausnahmen bestehen etwa bei exzessiver Nutzung oder dem Besuch strafbarer Internetseiten (z.B. Gewalt verherrlichende Darstellungen, Kinderpornografie). Zwar ist der Arbeitgeber nicht zum Sittenwächter über die in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen. Durch die Internetnutzung der Arbeitnehmer darf es aber nicht zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers kommen.[87] In welchen Fällen konkret schärfere Sanktionen als die einer Abmahnung in Betracht kommen, wird anhand der vorhandenen Rechtsprechung analysiert (vgl. Rdn 126 ff.).

 

Rz. 68

Bei Auswertung der Rechtsprechung zeigen sich immer wiederkehrende Fehler auf Arbeitgeberseite, denen leicht abgeholfen werden kann. Umgekehrt eröffnet deren genaue Kenntnis dem Arbeitnehmer zahlreiche Möglichkeiten, die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung anzugreifen. Angesprochen werden dabei der Verlust der Warnfunktion bei mehreren Abmahnungen, die Frage der Beweissicherung und die Vereinbarung von Freiwilligkeitsvorhalten bei der erlaubten privaten Nutzung.

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