Rz. 58

Ein solcher Vorbehalt ist lediglich erforderlich, sollte kein umfänglicher materieller Zukunftsschadensvorbehalt erklärt werden. Hierbei ist grundsätzlich zwischen drei Konstellationen zu differenzieren:

1. Der Erwerbsschaden wird kapitalisiert und somit für die Vergangenheit und Zukunft durch die einmalige Zahlung eines Gesamtbetrags abgefunden.
2. Aufgrund der Art und des Umfangs der erlittenen Verletzungen und des Genesungsprozesses ist bei dem Geschädigten lediglich ein Erwerbsschaden für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit aufgelaufen.
3. Aufgrund der Art und des Umfangs der erlittenen Verletzungen ist bei dem Geschädigten nicht nur lediglich ein Erwerbsschaden für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit aufgelaufen, sondern dieser läuft auch auf unbestimmte Zeit in der Zukunft auf und wird in Form einer Rente durch den Versicherer fortlaufend gemäß §§ 843 Abs. 2, 760 BGB gezahlt.
 

Rz. 59

Für den Fall der ersten Konstellation bedarf es keiner Vereinbarung eines Vorbehalts zum Anspruch auf Erwerbsschaden, da dieser bereits vollständig für die Vergangenheit und Zukunft Berücksichtigung gefunden hat. Allerdings ist zwingend an die Vereinbarung eines Steuervorbehalts zu denken (vgl. unten Rdn 75 ff.).

 

Praxistipp

Diese Variante der Abfindung des Erwerbsschadens hat den Vorteil, dass sich der Geschädigte alle zukünftigen Einkommensersatzleistungen oder selbst erzielten Einkünfte nicht auf den Erwerbsschaden anrechnen lassen muss. Auf der anderen Seite trifft den Geschädigten das Prognoserisiko dafür, dass der zugrunde gelegte Betrag für die Kapitalisierung des Erwerbsschadens zu niedrig bemessen ist und nicht für die gesamte zukünftige Laufzeit ausreicht.

 

Rz. 60

Für den Fall der zweiten Konstellation sollte ein Erwerbsschadensvorbehalt dahingehend vereinbart werden, dass ein sich etwaig bei erneuter oder weiterer unfallbedingter gesundheitlicher Verschlechterung zukünftig ergebender Erwerbsschaden vom Versicherer über die bereits für die Vergangenheit geleistete Abfindungszahlung hinaus verlangt werden kann. Der Versicherer wird dies oftmals an die Bedingung knüpfen, dass der Geschädigte in diesem Zusammenhang einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente/Verletztenrente zu stellen hat, so dass dann die ungedeckte Schadensspitze zum Ausgleich kommt. Auch in dieser Konstellation ist zwingend an die Vereinbarung eines Steuervorbehalts zu denken (vgl. unten Rdn 75 ff.).

Eine Formulierung könnte wie folgt aussehen:

Muster 6: Formulierungsbeispiel: Erwerbsschadensvorbehalt

 

Formulierungsbeispiel: Erwerbsschadensvorbehalt

Der Versicherer verpflichtet sich, einen zukünftigen Erwerbsschaden bei verletzungsbedingter Reduzierung und/oder vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit unter Anrechnung übergegangener Ansprüche auf Dritte zu erstatten und die darauf ggf. anfallenden Steuern auf Nachweis zu zahlen.

 

Hinweis

Der Anwalt hat in dieser Konstellation auf den Verjährungsschutz zu achten. Daher sollte auch dieser Vorbehalt mit der Wirkung eines rechtkräftigen Feststellungsurteils erklärt werden.

 

Rz. 61

Auch für den Fall der dritten Konstellation sollte ein Erwerbsschadensvorbehalt dahingehend vereinbart werden, dass ein etwaig bei weiterer gesundheitlicher Verschlechterung sich ergebender weiterer Erwerbsschaden (z.B. bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit) vom Versicherer zusätzlich über die bereits geleisteten Abfindungszahlungen und die laufende Rentenzahlung hinaus reguliert wird (vgl. auch unten Rdn 73 f.). Auch in dieser Konstellation dürfen der Steuervorbehalt und der Verjährungsschutz nicht vergessen werden.

Ein Formulierungsvorschlag könnte so lauten:

Muster 7: Formulierungsbeispiel: Erwerbsschadensvorbehalt

 

Formulierungsbeispiel: Erwerbsschadensvorbehalt

Die _________________________-Versicherung verpflichtet sich, einen weiteren zukünftigen Erwerbsschaden bei unfallbedingter weiterer Reduzierung und/oder vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit unter Anrechnung übergegangener Ansprüche auf Dritte zu erstatten und die darauf ggf. anfallenden Steuern auf Nachweis zu zahlen. Der Vorbehalt wird mit Wirkung eines zum _________________________ rechtskräftigen Feststellungsurteils erklärt.

 

Praxistipp

Je nach Ausgestaltung des konkreten Einzelfalls kann auch an einen Vorbehalt gedacht werden, welcher dem Geschädigten das Recht einräumt (ggf. für ihn sozialversicherungsbeitragsfreie) Einkünfte zu erwerben, die auf die Schadensersatzsumme anrechnungsfrei bleiben. Der Hintergrund dieses Vorbehalts könnte darin bestehen, dass der Geschädigte sich überobligatorisch um derartige Einkünfte bemüht.

 

Rz. 62

Bei der Regulierung des Erwerbsschadens ist seit 2008 eine erhebliche Problematik aufgetreten. Mit der Rentenreform 2008 wurde mit § 77 SGB VI ein sog. Zugangsfaktor zur Rente eingeführt. Dies bedeutet, dass jeder, der vor Erreichen der sozialversicherungsrechtlichen Regelaltersgrenze eine Rente bezieht, hier Abschläge hinnehmen muss. Dies trifft insbesondere bei der Schadensregulierung die Fälle, in denen vor Erre...

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