Rz. 325

Lehnt der Versicherer seine Eintrittspflicht endgültig ab oder befindet er sich in Verzug, ist es wenig hilfreich und keineswegs beschleunigend, den Erlass eines Mahnbescheides zu beantragen. Ein Mahnbescheid ist nur dann sinnvoll, wenn erwartet werden kann, dass der Schuldner keinen Widerspruch einlegt. Versicherer legen erfahrungsgemäß gegen einen Mahnbescheid immer Widerspruch ein, selbst dann, wenn die Forderung anerkannt werden soll. Allein sinnvoll ist eine – schlüssige – Leistungsklage oder auch im Regelfall eine Feststellungsklage.

I. Feststellungsklage

 

Rz. 326

Nach herrschender Meinung ist eine Feststellungsklage des Versicherungsnehmers auch dann zulässig, wenn der Schaden beziffert werden kann;[454] Die Feststellungsklage ist in jedem Fall dann zulässig, wenn in den Versicherungsbedingungen ein Sachverständigenverfahren zur Schadenhöhe vorgesehen ist.[455] Die Erhebung einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Versicherungsvertrages beinhaltet auch eine gerichtliche Geltendmachung des abgelehnten Leistungsanspruchs.[456]

[454] BGH VersR 1994, 170/171; BGH VersR 2005, 629, 630 = r+s 2005, 188 = NJW-RR 2005, 619, 620; BGH, IV ZR 506/14, NZV 2016, 365; OLG Hamm zfs 2000, 257, a.A. KG r+s 2004, 491 = VersR 2004, 1032.
[455] BGH, IV ZR 341/07, r+s 2010, 64; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 820; OLG Köln zfs 2000, 397; OLG Köln r+s 2003, 507.
[456] BGH, IV ZR 31/06, VersR 2007, 1209; a.A. OLG Oldenburg NJW-RR 2004, 1033 = MDR 2004, 941 = zfs 2004, 320; OLG Rostock VersR 2007, 6 U 148/06, 1545.

II. Gerichtsstand (§ 215 VVG)

 

Rz. 327

Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat. Neben diesem Gerichtsstand kommt auch der Sitz des Versicherers (§ 17 Abs. 1 ZPO) ebenso in Betracht wie die Niederlassung des Versicherers, über die der Versicherungsvertrag geschlossen bzw. abgewickelt wurde (§ 21 Abs. 1 ZPO). Im Regelfall wird der Versicherungsnehmer von der Möglichkeit Gebrauch machen, das für seinen Wohnsitz maßgebliche Gericht in Anspruch zu nehmen, wenn er den Versicherer verklagen will.

Der Versicherer hat kein Wahlrecht: Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist ausschließlich das Gericht zuständig, in dem der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat (§ 215 Abs. 1 S. 2 VVG).

1. Versicherungsnehmer

 

Rz. 328

Die Bestimmung des Wohnsitzgerichtes ist nicht auf den Versicherungsnehmer beschränkt, sie gilt auch für die versicherte Person, nicht jedoch für den Zessionar, den Pfandgläubiger[457] oder den Insolvenzverwalter.[458] § 215 VVG spricht vom "Versicherungsnehmer" und nicht dem "Verbraucher", so dass diese Gerichtsstandregelung auch für juristische Personen gilt.[459]

Die Überlegung, dass eine juristische Person keinen "Wohnsitz" hat, erweist sich als nicht überzeugend, da juristische Personen einen "Sitz" haben, der dem "Wohnsitz" einer natürlichen Person entspricht. Hätte der Gesetzgeber eine Beschränkung auf natürliche Personen beabsichtigt, wäre der Gerichtsstand in § 215 VVG – wie in § 29c ZPO – auf Verbraucher beschränkt ­worden.

[457] Prölss/Martin/Klimke, § 215 VVG Rn 21.
[458] OLG Hamm, 20 W 33/12, zfs 2014, 212.
[459] OLG München, 14 U 3409/14, r+s 2016, 213; OLG Schleswig, 16 U 3/15, r+s 2016, 214; MüKo-VVG/Looschelders, § 215 VVG Rn 19 m.w.N.; Rixecker in Langheid/Rixecker, § 215 VVG Rn 2; a.A. Prölss/Martin/Klimke, § 215 VVG Rn 11 ff. LG Berlin, 7 O 292/10, NJW-RR 2011, 537.

2. Altfälle

 

Rz. 329

§ 215 VVG ist am 1.1.2008 in Kraft getreten, eine eindeutige Bestimmung, ob und ab wann § 215 VVG auch für Altfälle gilt, ist umstritten. In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Art. 1 Abs. 1 EGGVG nur den Anpassungszeitraum für die "Versicherungsverhältnisse" regelt, also die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Die Gerichtsstandsregelungen betreffen jedoch lediglich das Prozessrechtsverhältnis, so dass § 215 VVG ab 1.1.2009 auch für Altfälle Anwendung findet.[460]

[460] OLG Saarbrücken, 5 W 220/08, VersR 2008, 1337 = r+s 2009, 102; OLG Koblenz, 10 W 772/09, VersR 2010, 1356 = MDR 2010, 1326; MüKo-VVG/Looschelders, § 215 VVG Rn 39 m.w.N.

III. Beweisführung

 

Rz. 330

Der Eintritt des Versicherungsfalles gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist.[461]

Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Versicherungsnehmer beweisen muss, gehört der Nachweis, dass der geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich – materiell und zeitlich – des Versicherungsvertrages fällt.[462] Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für alle Umstände, die zur primären Risikoabgrenzung gehören, während die Beweislast für einen sekundären Risikoausschluss beim Versicherer liegt.[463]

 

Beispiel

In der Feuerversicherung muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass der Schaden durch das in diesem Versicherungszweig definierte "Schadenfeuer" entstanden ist (primäre Risikobegrenzung).

Beruft sich der Versicherer darauf, das...

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