Entscheidungsstichwort (Thema)

keine Geltung von besonderem Gerichtsstand des § 215 VVG für juristische Person

 

Leitsatz (redaktionell)

Der besondere Gerichtsstand des § 215 VVG steht einer juristischen Person nicht zu.

 

Normenkette

VVG § 215

 

Tenor

Das Landgericht Berlin erklärt sich für für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Hilfsantrag der Klägerin an das zuständige Landgericht Frankfurt/Main (§ 281 ZPO).

 

Gründe

Das Landgericht Berlin ist örtlich nicht zuständig: Die Klägerin beruft sich auf § 215 VV n.F. Dieser besondere Gerichtsstand steht aber der Klägerin als GmbH, mithin als juristische Person, nicht offen. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um den Versicherungsnehmer. Im Gesetz ist aber ausdrücklich die Rede davon, dass es auf den Wohnsitz des Versicherungsnehmers zur Zeit der Klageerhebung bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt ankommt. Bereits daraus ist zu folgern, dass nur natürliche Personen erfasst sind, denn juristische Personen haben keinen Wohnsitz, sondern einen Sitz. Auch Sinn und Zweck der Regelung lassen sich zur Unterstützung der von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht anführen: Sie dient ausweislich der Begründung dem Verbraucherschutz. Ein Verbraucher ist nach § 13 BGB aber immer eine natürliche Person. Die verbraucherschützende Wirkung als solche deutet zudem darauf hin, dass der Gesetzgeber vor allem die typischen Interessen von natürlichen Personen im Blick hatte (vgl. Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 4. Aufl., Rdnr. 1489). Auch eine willkürliche Unterscheidung des Gerichtsstand je nach Unternehmensform ist darin nicht zu sehen: Zwar kann es sein, dass am Sitz der Versicherungsnehmer auch mögliche Zeugen ihren Wohnsitz haben und deren Vernehmung dadurch nicht an dem für sie wohnortnahen Gericht erfolgen kann. Deren Schutz dient die Regelung jedoch nicht. Zudem gibt es Unterschiede zwischen natürlichen Personen und Personenzusammenschlüssen, die eine Gleichbehandlung gerade nicht nahelegen: Einer Personenmehrheit wird die Rechtsdurchsetzung an einem von ihrem Sitz verschiedenen Ort oftmals leichter möglich sein, als einer natürlichen Person die Erhebung einer wohnortfernen Klage. Außerdem ist die Bindung einer juristischen Person an ihren Sitz nicht mit derjenigen einer natürlichen Person an ihren Wohnsitz vergleichbar. Entsprechend geringer (wenn auch teilweise vorhanden) sind deshalb auch die Vorteile zu veranschlagen, die sich aus einer Anknüpfung an den Sitz im Sinne des § 17 ZPO ergeben würden (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl, § 215, Rdnr. 12).

Soweit sich die Klägerin zudem darauf berufen hat, dass der streitgegenständliche Vertrag über die Vertriebsdirektion in Berlin geschlossen, bzw. der Antrag jedenfalls von der vermittelnden Maklerfirma an diese per Fax übermittelt wurde, fehlt nach dem Hinweis der Beklagten auf den offenbar in Oberursel ausgestellten Versicherungsschein weiterer Vortrag dazu. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte in der xxx in Berlin eine Niederlassung unterhält, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden und die Klage auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung einen Bezug hat.

Maßgebend ist damit der allgemeine Gerichtsstand nach §§ 12, 17 ZPO. Der vorsorgliche Verweisungsantrag der Klägerin im Schriftsatz vom 21.09.2010 ist dahin auszulegen, dass Verweisung an das für den Sitz der Beklagten zuständige Landgericht Frankfurt erfolgen soll, nachdem die Beklagte dieses bereits in der Klageerwiderung als zuständiges Gericht bezeichnet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 4579025

NJW-RR 2011, 537

VersR 2010, 1629

VK 2011, 2

VRR 2011, 149

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